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Ping Pong Pong

Eine literarisch-musikalische Bild-Illustration
mit
 Wolfgang Horwath - Bild

Wolfgang R. Kubizek - Musik

Peter Wagner - Texte
Uraufführung: 27. Mai 1988, Mühle Wolfau

Weitere Aktionen: Czelley-Mühle Oslip, Mühle Unterrabnitz

Auszug aus Reflexionen von Peter Wagner über Bilder von Wolfgang Horwath

Oder sprechen wir über das herrliche
weil fehlende Geschlecht
zwischen zwei herrlichen
weil vorhandenen Schenkeln
Der Spiegelsteinlochschauer
ist eine Spiegelsteinlochschauerin
der fliehenden weiblichen Hand
steht ein männliches Bein zur Seite
die wiegende männliche Hand
wird von einem weiblichen Knie gestützt
Was man aus Spiegelsteinlöchern alles heraus sehen kann!
Schaut doch selbst, ihr Idioten!

Aber schaut vor allem das herrliche
weil fehlende Geschlecht
Ihr Seid doch alle Idioten
wenn ihr schaut
was ich sehe
Wolfgang Horwath hat mir vier Bilder
und zwei Doppler Wein hingestellt
sprich vier Liter Wein
und zwei Doppler Bilder
der erste Doppler Bilder ist aufgebraucht
aber ein Liter Wein weg
mit irgendwas bin ich hier offensichtlich im Verzug
Oder sprechen wir über die Farbe Orange
die widerlichste aller Farben
die Farbe Orange
wenn ich eine Orange Esse
muss ich zuvor die Farbe überwinden
um dann wieder einmal zu wissen
dass der Inhalt der Orange genauso
wässrig lächerlich plump
ist wie deren Farbe
(Nebensatz: Wie herrlich die Grapefruit oder gar die Zitrone
was für eine Offenbarung ein roter Apfel
im Gegensatz zur Erdbeere, die
tendenziell eine Orange ist, uns aber
ein Orange für ein Rot vorgaukelt)
Orange ist die Farbe der prahlerischen Feigheit
und ich sag euch was, ihr Wertgenossen
wenn wir einmal den Wein orange einfärben
weil ihn die kolumbianischen Kokainbosse
nicht anders vertragen oder unsere Wirtschaftsbündlern
die Lipizzaner als Gastgeschenke an die weißen Häuser ausgehen,
dann gute Nacht
dann lass ich den Spiegelsteinlochschauer die Farbe Orange
nicht mehr geduldig
und in diesem Sinne als Zeichen seiner Größe
ins Weihwasserbecken schauen
um die welt zu sehen
sondern orange hineinkotzen
um ab sofort das zu sehen
was nicht mehr anzuschauen ist
Aber es wird nicht so weit kommen
Jeder weiß doch, dass die Farbe der Nacht Rot ist
dunkel bis unbedingt weinrot
die Farbe des Tages gelb von Zitrone bis Grapefruit
und glaubt mir, ihr Kinder der Nacht und des Tages
auch unser Spiegelsteinlochschauer also wir … sind in Wirklichkeit
ein Kind des Weines und der Zitrone
Der Spiegelsteinlochschauer ist
ein Komödiant
Seine Haltung ist so sehr Lüge
dass sie als unbedingt wahr zu betrachten ist
sie ist so sehr wahr
dass sie gelogener nicht sein könnte
der Spiegelsteinlochschauer
hat so sehr und so absichtlich
das Erschauen seines Geburtsdatums vergessen
weil er einmal
ein einziges Mal kapiert hat
dass er die Chance
Wolfgang Horvath Modell zu sitzen
nicht verpassen kann
Gott hätte es ihm verziehen
ich nicht –
nie im Leben wäre mir eine Polemik über orange eingefallen!
Oder sprechen wir über die Untergrundparkgaragen
Nein, sagt der Spiegelsteinlochschauer,
soviel Hintergrund vertrag ich nicht
und in Wahrheit denke ich noch immer über die Orangen nach
eine der letzten Lieferungen aus Israel
soll mit palästinensischem CIA-Quecksilber vergiftet gewesen sein

 

Die Psychologie des Rausches

Zuerst sieht er sich das ganze Bild an
dann sieht er sich das zweite Bild an
dann weiß er plötzlich
dass er beim ersten Bild etwas vergessen hat
dann sieht er sich also das erste Bild an
dann sieht er sich noch einmal das zweite Bild an
dann verliebt er sich unsterblich ins erste Bild
das er nie leiden hat können
und betrügt sich sofort mit dem zweiten
wobei er sagt; wahre Liebe ist
es auch mit einer Orange aufzunehmen
dann verzweifelt er an der liebe zur frischeren
weil zweiten
entdeckt die Qualität zur ersten, weil älteren
dann hegt er den Vorsatz, die zweiteren mit der
ersteren zu betrügen und tut grade das Gegenteil,
nämlich doch die zweitere mit der ersteren zu betrügen
dann geht er einen Kompromiss mit Orange ein
heiratet auf der Stelle eine Frau, die blau ist
und kapiert plötzlich Baby Goliath von der ersten Liebe
Unterwegs zum Entzug in Kalksburg kehrt er in ein Wirtshaus ein
trifft dort auf ein Ölgemälde namens „Der Spiegelsteinlochschauer“,
trinkt mit ihm ein Viertel und ein zweites
fährt gegen Süden und heiratet dort zufällig ein Gemälde
namens „Willst Frieda willst“
Die restlichen Jahre einer harmonischen Ehe verlaufen unglücklich
aber der Wolfgang, der horvatige, hat Wein zur Verfügung gestellt
und dann ist der Faden gerissen
und der Spiegelsteinlochschauer residiert wieder in Greifweite
von mir, die Nachtfalter fressen mir die Stirne ab,
brummen wie Tiroler LKWs, wenn sie sich in meinen spärlich
werdenden Haaren verfangen, und ich denke mit Wehmut daran,
dass der Innenhof erst an der Reihe ist, wenn ich Baby Goliath
und das Orange mit meinem Spiegelsteinlochschauer verkocht habe

Am Ende der Psychologie des Rausches
steht ein Gedichtband mit dem Titel
„Nie wieder Wein oder
eine Aktion reicht noch lange nicht
um zum Säufer zu werden“
Und nun steht auf und denkt euch:
wieso geht’s immer gegen die Orangen
Meine von vorgestern, die war wenigstens nicht vergiftet
aber die von grade vorhin… würg
ich sage: trinkt Rotwein
Orange und Orangensaft, das ist etwas Tödliches
Und schaut ihn euch an, den – Spiegelsteinlochschauer
– er ist absolut meiner Meinung …

circa 23 h 30: Mehr als die Hälfte vom Doppler ist weg. Ich hole noch einmal das erste Bild hinter dem zweiten hervor. Es interessiert mich eine viertel Minute, nicht länger. Ich schalte die Schreibmaschine ab. Ich beginne, mit dem noch Kopflosen Goliath in der Einfahrt zu spielen, indem ich ihn einmal nach vor, einmal nach hinten ziehe, fallen lasse und auffange. Das geht ganz gut. Bis ich übermütig werde und ihn zweimal fallen lasse. Dadurch wird er staubig, und das steht dem monströsen Krieger eigentlich ganz gut. Ich kann ihn beide Male aus eigener Kraft wieder aufstellen. Ich beschließe, ihn im Herbst in eine Live-Performance einzubauen. Gegen 0 Uhr 15 gehe ich ins Bett. Brigitte kommt fünf Minuten später von einer Veranstaltung im Jugendhaus zurück. Austausch der Informationen über mögliche Subventionen fürs Stück. Einige Prominente, die Fragesteller im Vorprogramm abgeben werden, haben sich schon gefunden. Der Wein wirkt gut. Wir erleben noch Aufregendes miteinander.