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Burgenland. Eine Farce.

Das geplante Rock-Musical „Salah o, Salah he“ des südburgenländischen Dramatikers Peter Wagner hätte eigentlich im Rahmen der OHO-Veranstaltungsreihe “Das Land im Land im Land“ jetzt im Herbst aufgeführt werden sollen. Doch bereits im Frühjahr zeichnete sich die Unfinanzierbarkeit der Produktion ab.

Wagner blies nicht nur sein Musical ab, er zog sich vorübergehend auch vom Jubiläumsprojekt des Offenen Hauses Oberwart (siehe Seite 6) zurück. Der Grund: „Wir sind auf missverstehende Ohren bei Bund und Land gestoßen“.

Dann kam die Bespitzelungsaffäre um den Landeshauptmann. „Das Theater hat am ehesten die Chance, auf aktuelle Tendenzen und Entwicklungen zu reagieren“ meinte Wagner und griff zur Feder. In einem kleinen Zimmer an der türkischen Südküste entstand binnen zwei Wochen „Burgenland. Eine Farce“, dessen Proben bereits in der KUGA laufen.

Wagner will mit dem Stück keineswegs die Rolle des politischen Moralapostels antreten, denn „die Kunst kann nicht für fehlende Institutionen einspringen“. Er will aber auch keinen großartigen historischen Burgenland-Rückblick servieren. Vielmehr versucht er die Existenz einer administrativ geschaffenen topografischen Einheit, dessen gesellschaftlichen Strukturen, Schicksal und Identität seiner Bewohner, sowie den Begriff der Heimat zu hinterfragen.

„Tatsache ist, dass es auch einen Begriff, wie „Weinviertel“ gibt und damit verbinde ich eine Stimmung. Wenn ich sage, „Burgenland“, verbinde ich ebenfalls eine Stimmung. Burgenland ist mehr oder weniger im Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit der Balkan von Österreich. Burgenland, das ist sozusagen so sumpfig, wie der Neusiedler See, in gewisser Hinsicht so seicht, wie dieser. Burgenland ist aber auch irgendetwas, was sich in weniger rasantem Tempo zunächst der Modernisierung, der Zivilisation gewidmet hat, mittlerweile es aber exzessiv und in einer beinahe grotesk-lächerlichen Art tut.“

Ist dieses Land, in dem „ein Güssinger nichts mit einem Neusiedler anfangen kann“, jemals eine mentale Einheit geworden? Konnte es das Volk dieses schmalen Erdstreifens je dazu bringen, ihn in seiner Gesamtheit als ihre Heimat anzusehen? Statt diese Fragen eindeutig zu beantworten verweist Wagner nicht nur auf die Unterscheide diesseits und jenseits des kaum ganz imaginären Grenzpunktes Sieggrabener Berg, sondern auch auf den zunehmenden Verlust der engeren Heimat durch die rasant vollzogene räumliche Trennung von Arbeit und Leben.

Obwohl im Stück selbst das Wort „Burgenland“ kein einziges Mal vorkommt (denn „das eine gültige, unverwechselbare Land, das nur Burgenland und sonst nichts wäre, gibt’s nicht mehr“), weisen Handlung und Personen unverfälscht burgenländische Eigenschaften auf. Pendlerdasein, Grenzland, Obrigkeitsfurcht, feudale Strukturen und Praktiken, Minderheitenprobleme sind allgegenwärtig.

Die elf Bilder des Stückes sind als Liebesszenen angelegt, die menschlichen Beziehungen widerspiegeln aber zugleich die Logistik der Macht. Die Farce als Stilmittel bietet die wunderbare Möglichkeit, historische Figuren in die Gegenwart zu holen, ihnen gegenwärtige Züge zu verleihen, um beweisen zu können, dass in der Beziehung Herr und Knecht, Mächtiger und Ohnmächtiger, Opfertäter und umgekehrt eigentlich nichts wesentliches geändert hat. „Es haben sich die Etiketten verändert, man rettet nicht mehr zu Ross, man foltert nicht, aber man findet andere Wege, Herrschaft auszuüben.“

Damit wird auch der Enkel (gespielt von Georg Kusztrich) der mit Geige und Fidel auf die Suche eines fremdem Landes geht, das er nur aus den Liedern seiner Großmutter kennt, konfrontiert. Die skurrilen Ereignisse und Charaktere (dargestellt von Sonja Penz, Hans Rosner und Josko Vlasich), die er dort vorfindet, vertreiben aber rasch seine Illusionen.

JAZZ PUB NEWS, 1991