Skip to main content

Das wird a Böller g´wesen sein

Der Burgenländer Peter Wagner schrieb ein Stück über den Bombenanschlag von Oberwart.

Margot: „Was war das?“ Wanz: „Nix war das. Das wird a Böller (…) g’wesen sein“.

Dieser kurze Dialog aus Peter Wagners jüngstem Stück „Oberwart. Mon amour“, das zur Zeit im Offenen Haus Oberwart und demnächst in Wien läuft, ist bezeichnend für die Art des Autors, Wahrheiten und Verdrängtes lieber subtil als plakativ ins Bewusstsein der Zuschauer zu rücken. Gemeinsam mit dem Titel – eine Assoziation zum filmischen Vorbild des Stückes, Marguerite Duras’ „Hiroshima. Mon amour“ – genügt diese kurze Irritation völlig, um jene Gefühle wieder virulent werden lassen, welche die Menschen damals nach der tödlichen Bombe in Oberwart bewegten; die Hilflosigkeit, die Wut, aber auch wie man wieder zur Tagesordnung überging, als wäre nichts passiert.

Das Werk des 1956 geborenen, südburgenländischen Autors, Regisseurs und Musikers ist tief verwurzelt in seiner Umgebung. Vor allem in seinen „Burgenland-Stücken“, (sein gesamtes schriftliches und musikalisches Oeuvre umfasst mittlerweile 19 Stücke, 14 Hörspiele sowie Erzählungen und Lieder) manifestiert sich eine nahezu sinnliche Hassliebe zu Land und Menschen, die wenig mit Schwärmerei, aber sehr viel mit dem Versuch zu tun hat, Klarheit über die eigene Befindlichkeit, die eigene Geschichte und die der anderen zu gewinnen. Dass er in seinen Stücken herausfordert, auch manchmal – wie mit „Burgenland“ – eine Farce“ – Wirklichkeit bis zu einer entlarvenden Absurdität hin verzerrt, die behübschten Fassaden ländlich kleinbürgerlicher Idylle durchschaut – wie in „Lafnitz“ – oder auch – wie bei „März 24.“, das an die Ermordung von 180 Juden in Rechnitz erinnert – sich der gemeinschaftlichen Amnesie verweigert, irritiert und löst immer wieder hitzige Diskussionen aus.

Als Regisseur pflegt Peter Wagner seit dem Jahr 1989 eine Bühnenphilosophie, die sich „Theater am Ort“ nennt. Entstanden aus dem Reiz, Theater in einem kulturellen Brachland ohne Infrastruktur zu machen, wo man sich auch das Publikum erst schaffen muss, findet die Idee derzeit ihre konsequenteste Verwirklichung bei den Burgspielen Güssing, wo Peter Wagner auch diesem Sommer wieder einer Hundertschaft von Laiendarstellern ein Stück, einen Sagenstoff aus Bernstein „Die weiße Frau“, auf den Leib schreibt und inszeniert.

Annemarie Klinger, DIE FURCHE, 1997