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Petersplatz: Gastfeindschaft im Licht der Bühne

Wien – Bauernstiefel, Jeansanzug, lange Haare und ein Schnurrbart wie aus Kaisers Zeiten: vielleicht steht der Schriftsteller Peter Wagner für den neuen Typus, der das Regionale mit dem Überregionalen verbindet.

Während eines längeren Aufenthaltes in der Schweiz verlernte Wagner seinen Heimatdialekt. Der Schock darüber führte zu seiner kulturellen Bewusstwerdung: er erkannte die Sprache als seine Identität und kehrte zurück zu „seinesgleichen“. Jetzt ist er 34 und „zu Hause“, auf einem Bauernhof im Südburgenland. Morgen, Mittwoch, wird im Wiener Ensembletheater sein Stück Lafnitz uraufgeführt.

Das Auftragswerk thematisiert die Heimatlosigkeit: es handelt über Rumänienflüchtlinge, zugleich über die Flucht des modernen Menschen aus seiner Identität.

Wenn Heimat Geborgenheit in einer Kultur bedeutet, dann ist das burgenländische Dorf in diesem Stück ein identitätsloses Niemandsland. Unter der funktionierenden Oberflächen fristen heimatlose Seelen ein kümmerliches Dasein, pendelnd zwischen Abgestorbenheit und Gewalt – brutale Geschichten aus dem unscheinbaren Leben. Die Kinder „synchronisieren“ die Erwachsenen, sprechen deren unbewussten Gefühle aus.

Der einbetonierte Fluss Lafnitz, ein einst wucherndes Biotop, ist ein Gleichnis  die Deformation der Menschen. „Für mich ist hier Rumänien“, sagt ein Dorfbewohner und einer der Flüchtlinge flüchtet tatsächlich zurück nach Rumänien.

Die neue Armut sei eine psychische, mein Wagner, die Leute hätten das Gefühl für die Not der anderen verloren, die Angst vor Wohlstandsverlust baue Irrationalismen wie die Fremdenfeindlichkeit auf.

Anders als seinem „Heimatdichterkollegen“ Felix Mitterer ist Wagner das künstlerische Experiment wichtig. Auf seinem Hof hat er seine ersten Stücke inszeniert. Die Themen entstammten seiner multikulturellen Umgebung, der Vater gehörte der ungarisch-sprachigen Minderheit an, seine Freunde waren Kroaten und Zigeuner. Wagner schildert das dörfliche Leben, in dem sich die Welt spiegelt wie in einem Brennglas.

Wichtiger als die Uraufführung von Lafnitz ist dem Künstler, der sich in allen Sparten gleich wie zu Hause fühlt, jetzt freilich schon das Kulturexperiment Offenes Haus Oberwart. Mit einem Musiker wird Wagner dabei Das lange Sterben des Hörspielautors Jan Rys aus Unterrabnitz im Burgenland spielen, einen Text über Grenzgänge im eigentlichen wie im metaphysischen Sinn, den Übergang von der Lebens- zur Todeserfahrung.

Rosmarin Frauendorfer, DER STANDARD