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mein engel mein land
auf der straße der frauen

Das Märchen der Musik op. 3
Mit Eveline Rabold und Peter Wagner
Österreich 2000/2003/2006/200? - Work in Progress
90 Minuten, unabhängige Null-Budget-Filmproduktion;
Kameras: Markus Kloiber, Sabine Maier, Michael Mastrototaro, Clemens Reisner, Peter Wagner
DVCam, Peter Wagner´s EROS KADAVER FILM 2004/2006/200?

An einer Tankstelle auf der Triesterstraße in Wien erwägt ein Mann, seiner toten Mutter einen Besuch abzustatten. Es verbindet ihn zwar nichts mehr mit dem Land seiner Mutter, immerhin aber vermutet er, dass in ihm sein „Film“ vergraben läge. Er geht in ein nahe gelegenes Blumengeschäft. Dort begegnet er erstmals einer schwarz gekleideten jungen Frau, die fünf weiße Rosen kauft.

Der Mann verlässt Wien über die Südautobahn. In inneren Monologen räsoniert er über das Verhältnis zu seiner Mutter - und seine Neigung zu Schuldgefühlen, deren letzte Ursache er nicht wirklich klären kann. Er tankt und trinkt Kaffee an einer Autobahnraststätte. Erneut kommt ihm die junge Frau aus dem Blumengeschäft unter, ohne ihr weiter Beachtung zu schenken.

In voller Fahrt über die Südautobahn trifft er wieder auf die Frau in ihrem schwarzen VW-Beetle. Bei ihrem Anblick durch das Seitenfenster rezitiert seine Stimme ein Gedicht über Leere und Sehnsucht. Als der VW bei Wiener Neustadt in Richtung Eisenstadt abbiegt, folgt er ihm, obwohl das nicht seine beabsichtigte Route ist. Die Fahrt führt über Mattersburg zur Rosalienkapelle hoch über der Burg Forchtenstein. Die Unbekannte parkt sich ein, steigt aus und geht den Weg zur Kapelle hoch. Der Mann folgt ihr mit einer Handkamera. Seiner inneren Erzählung ist zu entnehmen, dass es zwei unterschiedliche Rosalien als Schutzpatroninnen der Kapelle gibt, eine Pestheilige und eine Tyrannin aus dem Mittelalter.  Er setzt sich direkt in Beziehung zu den beiden Rosalien, indem er sie anspricht, als würde er sie persönlich kennen, zumindest aber seinen Anteil an ihrem Schicksal kennen. Ein Muster, das sich in der Folge fortsetzen wird. Die Frau legt eine weiße Rose an einer Mauer der Kapelle ins Gras. Beim Abgang von der Kapelle überkommt den Mann die Fantasie, den Leichnam Rosaliens unter dem Gras der Wiese vergraben zu haben.

Wie selbstverständlich folgt das weiße Auto des Mannes dem schwarzen Auto der Frau - die er bald schon als seinen „Engel“ bezeichnet - durch das mittlere Burgenland zur Ruine Landsee. Auch hier hatte eine legendäre, starke Frauenfigur gelebt und gewirkt. Und auch hier deponiert die Unbekannte eine weiße Rose. Während der Mann sie durch den Sucher seiner Kamera beobachtet, fantasiert er eine erotisch angehauchte Begegnung mit ihr, an deren Ende ihr Tod  - durch seine Hand? - steht.

Nach der Ausfahrt von der Burgruine scheint er die Unbekannte verloren zu haben. Er reagiert mit Erleichterung, denn seine immer wiederkehrende Vision zu töten, die einzige „erhellende Vision“ in seinem Leben, ist ihm alles andere als wirklich geheuer.

Er fährt weiter durch die Bucklige Welt in Richtung Süden. In Kirchschlag begegnet er der Unbekannten erneut. Sie sitzt auf einer Bank, als ob sie auf ihn wartete. Erstmals überkommt ihn die Panik, diese zufällige - oder auch schon längst nicht mehr zufällige? - Begegnung könnte konkrete, ja fatale Folgen zeitigen. Er steigt aufs Gas und fährt mit hohem Tempo weiter.

Aber schon nach kurzer Fahrt steigt er aus und setzt sich in ein Café. Bernstein ist bis zum heutigen Tag Erscheinungsort einer mysteriösen „Weißen Frau“, einer jungen Adeligen, die im 17. Jahrhundert von ihrem Mann bei lebendem Körper eingemauert worden sein soll. Der Mann imagniert die Fremde als diese Weiße Frau, die ihm direkt gegenüber sitzt und die er erneut in persönliche Verbindung mit sich selbst bringt. Er überlegt verbissen, was es mit den weißen Rosen der Unbekannten auf sich haben könnte und vermutet eine geheime Botschaft, die direkt an ihn gerichtet ist. Insgeheim ersehnt er sich ihr neuerliches Auftauchen, vielleicht würde sich an diesem Tag endlich etwas erledigen, was bisher nicht auflösbar gewesen war - sein „Film“, der Blick in den „Spiegelgrund der Erinnerung“.

Tatsächlich geht die Fremde am Fenster des Cafés vorbei hinauf zum Schloss. In Anbetracht der Burgen, die sie auf ihrer bisherigen Reise bereits gestreift haben, jener Festungen, „an denen nichts wahr oder falsch ist, sondern alles nur wahrhaftig und in höchstem Grade sexuell“, stellt er sich die Frage, warum er - stellvertretend für sein Geschlecht - die Frauen tausende Jahre lang eingemauert habe, ohne sich dieser Tatsache bewusst gewesen zu sein. In Anbetracht einer weiteren weißen Rose am Tor des Schlosses überkommt ihn die nächste erotische Projektion auf die Unbekannte, wieder ist diese mit Mord- und Todesfantasien durchspickt. „Woher kennst du mich, Engel?“ fragt er sich. An eine rein zufällige Begegnung mag er ohnehin nicht mehr glauben.

Er fährt dem schwarzen Auto über die Bundesstraße nach Lockenhaus nach, dem Wirkungsort der legendären Gräfin Erszebéth Bathóry, die durch den sadistischen Mord an über 600 Mädchen in die Geschichte des Grenzlandes eingegangen ist. Während er mit seiner Kamera der Unbekannten durch die Burg folgt, überkommen ihn die bisher heftigsten Sexualfantasien. Die Vorstellung, der Aura der Gräfin nahe zu sein, stimuliert ihn bis zum lustvoll durchwirkten Wunsch, am orgiastischen Höhepunkt von den Stahldornen der Eisernen Jungfrau durchbohrt zu werden. Auch diese Fantasie endet in der Vision, den Leichnam der Unbekannten irgendwo in der Nähe in einem Wald zu verscharren und diese dann in regelmäßig Abständen zu besuchen, „denn die Nähe, die wir in dieser Nacht (im Schloss, Anm.) zu einander hatten, war eine besondere Nähe: eine ganz und gar keusche, unberührte. Frei von aller Liebe, die nicht tötet sondern umbringt. Und doch auch wieder mitten in ihr.“

Während die Fahrt über den Geschriebenstein weiter in den Süden des Landes führt, wird die weibliche Stimme, die sich über die Songs aus dem Cassettenrecorder des Autos artikuliert, wesentlich deutlicher als bisher: sie beklagt, ihren Mörder zu lange geschützt zu haben - in der vergeblichen Hoffnung, ihn damit retten zu können.

Der „Engel“ entführt den Mann zum verfallenden Gemäuer des düsteren Wasserschlosses Eberau, in dem im siebzehnten Jahrhundert einige Hexenprozesse mit ausgiebigen Folterungen an Frauen stattgefunden haben. Der Mann hat den Eindruck, an der Stätte seines Versagens und seiner Schuld, seines missglückten Machtanspruchs und seiner metaphysischen Impotenz vorgeführt zu werden. Die Stimme des Engels, die er zu vernehmen glaubt, klingt wie eine Abrechnung nicht nur mit seinem gesamten Leben sondern mit seiner Existenz als Mann ganz allgemein. Er folgt der Unbekannten zum Pranger am Hauptplatz des Ortes, wo sie erneut eine weiße Rose deponiert. Hier sagt ihm seine innere Stimme, dass sich das Spiel auch gegen ihn selbst wenden könnte.

An Weinbergen vorbei geht die Fahrt im Lichte der immer tiefer stehenden Sonne in Richtung Güssing, bis die Unbekannte in eine Nebenstraße einbiegt. Sie steigt aus und geht den Weg am Waldrand hoch. Der Mann folgt ihr mit der Vorstellung, sich mit ihr zu versöhnen. Sie lieben zu wollen „wie ein Mann, ja, ein Mann ... Du wirst mich erretten, mein Engel. Ich werde dich erretten. Die Liebe ist unser Geheimnis. Die Liebe und der Tod.“

Sie ist in den Wald eingebogen. Dort wartet sie auf ihn. Sie greift in die Tasche ihres Mantels ...