Skip to main content

Jeder Tag ein Aschermittwoch und der Tag davor ein Karneval

Österreichgewinner des Wettbewerbs „Europa macht Schule“
Stückcollage von Peter Wagner nach Texten von Jabinger Volksschulkindern
Darsteller: Kinder der Volksschule Jabing
Einstudierung: Birgit Graf
Bühne: Andreas Lehner; Musik: Wolfgang R. Kubizek
Uraufführung im Offenen Haus Oberwart
Alle Rechte für das Stückmanuskript bei der Volksschule Jabing und Peter Wagner.

Textauszug >>

Ausgangsfragen

Folgende Fragen dienten dem Stück als Ausgangspunkt. Die Antworten der Schulkinder wurden sodann als Basismaterial für die Stückcollage verwendet (© Peter Wagner 1998):

Szene 1 – Ausgangsfrage:
Als Du geboren worden bist, bist Du einen schwierigen Weg gegangen: vom Bauch Deiner Mama heraus in das Licht der Welt. Erinnere Dich daran, wie es war, als Du das erst Mal ins Gesicht Deines Vaters gesehen hast. Er sagte etwas zu Dir. Was sagte er zu Dir?

Szene 2 – Ausgangsfrage:
Durch Dein Dorf rinnt ein Bach. Eines Tages schwammen bunte Fische im Bach. Die Menschen wunderten sich sehr. Der Pfarrer sagte, Gott hätte sie geschickt. Eines Tages waren die Fische wieder verschwunden. Was sagte der Pfarrer dazu? Erinnere Dich an seine Worte, schreibe sie auf! Geh hin zu ihm und frage ihn, ob er sich an die Zeit der bunten Fische noch erinnern kann! Und was er heute davon hält.

Szene 3 – Ausgangsfrage:
In Deinem Dorf wohnte eine Frau, die hatte fünf Wohnzimmer in ihrem Haus. Kein Kind durfte ihr Haus jemals betreten, denn es hätte Schmutz in die Wohnzimmer bringen können. Und da die Sonne die Teppiche ausbleichen hätte können, blieben die Rollos geschlossen, sodaß die Räume jahraus, jahrein finster blieben. Eines Tages kam eine Fee und zauberte die fünf Wohnzimmer in den Wald. Sodaß nun fünf Wohnzimmer im Wald zwischen Jabing und Kleinbachselten standen, das Haus der Frau jedoch völlig leer war. Die Fee wurde von den Bewohnern Jabings in das Dorfwirtshaus eingeladen und gefragt, warum sie das getan hätte. Du warst bei diesem Treffen auch dabei. Erinnerst Du Dich, was die Fee den Jabingern geantwortet hat? Schreibe es nieder. Und erzähle uns auch, warum die Jabinger mehr als schweigsam von diesem Treffen mit der Fee nach Hause gegangen sind.

Szene 4 – Ausgangsfrage:
In Jabing lebte vor vielen Jahren ein Krüppel. Er war sehr unglücklich und trank unentwegt Alkohol. Die Leute in Jabing sahen, daß er unglücklich war. Aber sie fragten ihn nie, warum er das Leben nicht ertrug. Das machte den Krüppel noch unglücklicher. Und er trank noch mehr Alkohol. Dann kam er manchmal in die Schule. Er stellte sich auf einen Sessel, damit er größer erschien, als er in Wirklichkeit war, und hielt eine Rede. Du selbst bist inzwischen erwachsen. Deine Kinder gehen selbst schon zur Schule. Manchmal erzählst Du ihnen von jenem unglücklichen Zwerg. Denn Du erinnerst Dich noch sehr genau an die Rede, die er damals an Euch hielt. Schreib diese Rede in Deinen eigenen Worten auf. Oder besser noch: solltest Du Dich ganz genau erinnern, weil sie Dich so beeindruckt hatten, gib sie im genauen Wortlaut wieder!

Szene 5 – Ausgangsfrage:
Jeder Mensch träumt. Ob bei Tag, ob in der Nacht, das heißt: ob mit geöffneten Augen oder mit geschlossenen. Du hattest gestern einen Traum mit geöffneten Augen: Du gingst gerade von der Schule nach Hause. Plötzlich hörtest Du ein Murmeln unter Deinen Schritten. Gingst Du schneller, wurde es lauter, gingst Du langsamer, wurde es leiser. Bliebst Du stehen, verwandelte es sich in ein Zischeln: so als würden Hunderte Stimmen aus dem Dorf irgendetwas über Dich sprechen. Erinnere Dich an Deinen Traum mit geöffneten Augen. Erzähle uns, was die Stimmen murmelten und zischelten.

Szene 6 – Ausgangsfrage:
Deine Großmutter lachte gerne. Am liebsten lachte Sie, wenn auch Du lachtest. Und sie lächelte, wenn Sie Dich in den Armen hielt, und Du ihre Hand festhieltest. Sie schwieg, wenn Du ihr etwas erzähltest. Sie war betrübt, wenn du weintest. Sie weinte, wenn Du krank warst.
Deine Großmutter erzählte gerne von vergangenen Zeiten.
Sie weinte, wenn sie vom Krieg erzählte. Was erzählte sie? Wie erinnnerte sich Deine Großmutter an die Zeit, die so krank war, daß sie weinen mußte? Und warum weinte sie wirklich?

Szene 7 – Ausgangsfrage:
In Jabing wohnte eine Familie mit vier Kindern. Das waren ganz normale Leute, die sich allerdings in einem Punkt von allen anderen im Dorf unterschieden: Sie hatten alle grüne Hände. Deshalb nannte man sie im Dorf die Grünhände. Niemand konnte sich erklären, warum ausgerechnet die Mitglieder dieser Familie grüne Hände hatten. Sie selbst wußten es ebenfalls nicht. Eines Tages brannte das Haus der Grünhände ab. Die Leute liefen zusammen und sahen, wie das Haus Opfer der wütenden Flammen wurde. Von den Grünhänden sah man seitdem nichts mehr. Man fand jedoch auch keine Leichenteile im abgebrannten Haus. Damals machten viele Gerüchte die Runde im Dorf. Erinnerst Du Dich daran, was man sich alles über den geheimnisvollen Brand des Hauses der Grünhände erzählte?


Textauszug

1

DANIEL F. (setzt mit großer Geste an): Eines Tages …
DANIELA (nimmt ihm das Wort weg, unscheinbar): Ja wahrscheinlich eines Tages …
DANIEL: Wieso wahrscheinlich?
DANIELA: Na vielleicht eines Nachts.
DANIEL (setzt mit großer Geste an): Eines Tages oder eines Nachts ...

(Wird unterbrochen von einer Horde Steckenpferdreiter, die als Cowboys, Zorros, Indianer über die Bühne galoppieren und im Chor singen, was gerade noch als Singen - nur halt mit percussivem Lärm verbunden – zu deuten ist:)

CHOR DER STECKENPFERDREITER: Wir machen ein EU-Projekt, wir machen ein EU-Projekt, wir machen ein EU-Projekt …
(Der Chor der Steckenpferdreiter verschwindet wieder.)

DANIEL (schüttelt nachdenklich den Kopf, setzt wieder an): Eines Nachts also …
DANIELA (wie oben): Ja wahrscheinlich eines Nachts …
DANIEL (räuspert sich, um sich zu korrigieren): Eines Tages oder eines Nachts, da sagte Mama …

(Der Chor der Steckenpferdreiter erscheint diesmal von der anderen Seite.)

CHOR DER STECKENPFERDREITER: Wir machen ein EU-Projekt, wir machen ein EU-Projekt, wir machen ein EU-Projekt …

DANIEL (unterbricht wütend): Das ist mein Auftritt!
CHOR DER STECKENPFERDREITER: Irrtum, lieber Daniel! Das ist nicht dein Auftritt, das ist ein EU-Projekt.
DANIEL: Was heißt das: das ist ein EU-Projekt. Was ist ein EU-Projekt?
CHOR: Was ist ein EU-Projekt?! Na so was, der Kerl weiß nicht einmal, was ein EU-Projekt ist. Na so was, na so was, na so was! (Sie reiten wieder ab, skandierend:) Wir machen ein EU-Projekt, wir machen ein EU-Projekt, wir machen ein EU-Projekt …

DANIEL (ziemlich aufgebracht): Aber was ist das?!
DANIELA (lässig, ganz ruhig): Hast du nicht gesagt, das ist dein Auftritt?
DANIEL (setzt sich trotzig im Schneidersitz auf den Boden, dreht sich weg): Ja, aber wenn ich dauernd unterbrochen werde.
DANIELA: Gib’s zu, du weißt nur nicht weiter.
DANIEL: Sicher weiß ich weiter, aber sobald ich beginne, kommt mir immer so ein blödes EU-Projekt dazwischen.
DANIELA (mit großer Geste): Eines Tages oder eines Nachts, da sagte Mama: … au! Genau, sie sagte: au, es zieht.
DANIEL (springt voller Begeisterung auf): Genau, sie sagte: au! (Sieht sich um, ob die Steckenpferdreiter kommen. Da sie ausbleiben, klatschen sich Daniel und Daniela in die Hände.)
DANIEL UND DANIELA: Genau, sie sagte: au, es zieht. (Sie greifen sich beide an den Bauch, so als ob sie schwanger wären; mit Schmerzen): Es zieht, es zieht da drin in meinem Bauch.
DANIELA: Denn der Bauch …
DANIEL: Der Bauch der Mama …
DANIELA: Der Bauch der Mama …
DANIEL: War randvoll …
DANIELA: Womit?
DANIEL: Na mit dir. Du warst schon neun Monate lang im Bauch der Mama …
DANIELA: … und sagtest: na was sagtest du?
DANIEL: Ja was sagtest du?
DANIELA: Erinnere dich! Du sagtest …
DANIEL: Du sagtest: He Mama, jetzt reicht’s mir aber, ich will jetzt endlich raus da aus dem Bauch, ist schon alles ziemlich eng hier drin.
DANIELA: Genau, das sagtest du. Und dabei strecktest du dich kräftig, und Mama sagte: Au!
DANIEL: Au, genau!
DANIELA: Nun …
DANIEL: Nun, was nun?
DANIELA: Deine Mama sagte: naja gut, wenn’s dir nicht mehr gefällt in meinem Bauch, dann eben raus mit dir.
DANIEL: Einfach: raus mit dir!
DANIELA: Und dann bist du einfach raus.
DANIEL: So einfach?
DANIELA: Ganz einfach. Sonst wärst du heute ja nicht hier.
DANIEL: Auch wieder wahr.
DANIELA: Einfach hindurch durch einen – zugegeben: schmalen Ausgang.
DANIEL: Ziemlich schmalen Ausgang. Du musstest dich schon ziemlich schmal machen, um da durchzuschlüpfen …
DANIELA: … und um Mama nicht allzu sehr zu strapazieren.
DANIEL: Kurzum: Kuh und Kalb haben’s überlebt.
DANIELA: Dann aber …
DANIEL: Was dann aber?