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Lafnitz

Stück von Peter Wagner
Uraufführung: 4. 4. 1990 im Ensemble Theater, Wien
Gastspiel im Nationaltheater von Bratislawa
ORF-Fernsehaufzeichnung, Erstsendung September 1990
Regie: Dieter Haspel, Bühne: Edgar Schreiner-KislingerBesetzung: Franziska Schmeller: Veronika Steinböck; Erich Schmeller: Heinz Wustinger, Dirnböck: Andreas Adam; Greniza: Madeleine Reiser; Helmut Greniza: Alexander Virgolini; Lotte: Claudia Ziegler; Mihai: Rolf Schwab; Christina: Oana Solomonescu; Kind 1: Karin Lejeune; Kind 2: Robert Vystrcil

Hörspiel >>

BURGENLÄNDISCHE INSZENIERUNG "LAFNITZ"

Premiere: 22. September 1994, Kulturzentrum Oberschützen, Produktion: Burgenländische Kulturzentren
Greniza: Maria Perschy, Franzsika Schmeller: Daniela Graf, Christina Stanescu: Ariadna Zagrean-Chiba, Lotte: Susanne Michel, Dirnböck: Ferdinand Kaup, Helmut Greniza: Klaus Haberl, Mihai Vlad: Ronald Rudoll, Erich Schmeller: Stefan Paryla-Raky, Kind I: Birgitt Spuller, Kind II: Katharina Philipp, Geiger: Christian Hellmich
Musik: Kurt Schwertsik; Bühne: Wolfgang Horwath; Kostüme: Corinne Hochwarter; Maske: Doris Deixler; Licht Alfred Masal; Regieassistenz: Annemarie Klinger; Produktionsleitung: Horst Horvath; Regie: Wolfgang Lesowsky

Inhalt

Wolfgang Lesowsky, Regisseur: „Die Lafnitz, die Lafnitz …“
sagt Dirnböck, Philosoph und Zyniker, das Faktotum des Dorfes Welten, Multifunktionär, seit einem Arbeitsunfall behindert. Welten ist überall und die Lafnitz das Symbol aller Sehnsüchte, der eingestandenen und noch mehr der verdrängten. Die Lafnitz als archaische Urmutter, aus deren Schoß alle gekrochen sind, ihre Urwälder sind die unerfüllten Kindheitssehnsüchte, ihr Morast die verdrängte Sehnsucht des Unterbewusstseins.
Inzwischen ist sie begradigt und reguliert. Die Sehnsucht einer nackten, hässlichen Schiffrinne gemacht. Gerade und unendlich wie das betonierte Straßenband, das aus der dämmernden Ferne kommt, das Dorf wie ein Fallbeil in zwei Hälften teilt und wieder am Horizont verschwindet – und auf diesem Straßenband verschwinden auch die Sehnsüchte in der Ferne. Die verschwiegenen und die einbekannten, die erfahrenen und erahnten.
„Ich möchte nicht, dass etwas bleibt“ sagt die Greniza am Ende des Stücks zum rumänischen Geiger Mihai, als dieser aufbricht.
Lafnitz – ein Stück Theater über die Sehnsucht.
Lafnitz – ein relistisches und ein poetisches Stück.
Und ein stilisiertes. Es will das Besondere im Allgemeinen zeigen.

Pressestimmen

Barbara Petsch, DIE PRESSE: Über Pendler und andere Fremdlinge – Uraufführung von Peter Wagners „Lafnitz“ im Ensemle Theater
Glück muss man haben. Sechs Wochen vor dem Ausbruch des Aufstandes gegen das Ceausescu-Regime in Rumänien hatte der 1956 geborene burgenländische Autor Peter Wanger sein Stück „Lafnitz“ über Frauen, Pendler, Flüchtlinge und einen Mord in einer kleinen Gemeinde fertiggestellt. Der Sessler-Verlag griff sofort zu, kurz darauf das Ensemble Theater, wo nun am 4. April die Uraufführung stattfindet.
Glück? Den Autor stimmt die Nähe zur Aktualität eher bedenklich: „Ich wollte ursprünglich gar kein Flüchtlingsstück schreiben, sondern über ein Dorf und ein Biotop, das dort wächst, gedeiht und zerstört wird.“
Mit und im Dorf lebt Wagner seit seiner Kindheit. Zunächst ungarischsprachig aufgewachsen, sein Vater unterrichtete diese Sprache, lernte er mit sechs Jahren Deutsch. Das Idiom seiner Kindheit hat er heute weitgehend vergessen. Von früh an wollte er Schriftsteller werden, mit 18 war er Hörspielautor, mit 19 erhielt er ein Nachwuchsstipendium. Dann kam der Knick und die Krise. Er hörte auf zu schreiben, beschäftigte sich mehr mit Musik, vor allem mit Jazz. Erst Ende der zwanzig kehrte er zu seiner ursprünglichen Leidenschaft zurück.
Auf dem Land zwischen Oberwart und seiner Heimatgemeinde Deutsch-Kaltenbrunn verwirklicht er nun seiner Theaterprojekte, die immer an anderen Orten und mit anderen Darstellern realisiert werden, eine jener vielen regionalen Kulturinitiativen, mit deren Förderung sich jetzt sogar ein Ausschuss im Parlament beschäftigt: „Für mich ist diese Arbeit sehr schön, weil ich da einen Dschungel durchforsten kann, den noch niemand durchquert hat.“
Bei „Lafnitz“ hat sich Wagner, der bisher fast ausschließlich seine eigenen Stücke inszenierte, ganz in die Hand von Regisseur Dieter Haspel begeben. Erst bei der Generalprobe wird er das Ergebnis sehen und er fürchtet sich schon jetzt ein wenig vor der natürlichen Kluft zwischen Fiktion und Bühnenrealität.
„Lafnitz“, das beim Lesen Bilder aus der letzten Produktion des Serapionstheaters „Kispotlatsch“ heraufbeschwört, ist kein politisches Stück. Es zeigt Menschen in einem vergessenen Eck der ländlichen Welt: Lebenslustige, Verzweifelte, Verstörte, Zerstörte, zwei rumänische Flüchtlinge, die auf ihre Papiere warten und Kinder, die das Geschehen kommentieren und am Ende die Opfer sind, nicht die einzigen in einer besinnlichen, in Wahrheit aber trostlosen Umgebung.
„Krieg der Frauen“ hätte das Stück ursprünglich heißen sollen, „ein Rachestück gegen die geballte Ladung bäuerlicher Weiblichkeit“, mit der sich Wagner konfrontiert fühlte, als er vor Jahren mit seinem kleinen Sohn daheim den „Hausmann“ zu spielen hatte.
Aber dann kam anderes dazu, die Regulierung des Flusses, nach dem das Stück jetzt benannt ist und eben die Flüchtlingsproblematik, die Wagner auch persönlich sehr beschäftigt: „Ich kann nicht verstehen, warum Menschen, die sich von der materiellen Not entfernt haben, nicht fähig sind die anderer nachzuvollziehen. Ich meine nicht Mitleid, sondern das tiefe, warmherzige Verstehen, das offenbar abhanden gekommen ist. Es fehlt aber auch an Politikern, die einmal den ‚Crash‘ riskieren und sich klar gegen die Fremdenfeindlichkeit äußern, die übrigens meiner Meinung nach sehr viel mit der generellen Angst vor Berührung und auch vor der Sexualität zu tun hat.

Kurt Kahl, KURIER: Die Fremdheit als Folie für den banalen Alltag
Eine dramatische Feldstudie. Wo das Burgenland und die Oststeiermark zusammenstoßen, liegt Welten, auch die Grenze ist nah. Die meisten Männer sind Pendler, die Frauen Werktagswitwen. Daraus entsteht der Konflikt in Peter Wagners Stück „Lafnitz“, das jetzt im Ensembletheater uraufgeführt wurde. Die Frau des Bauarbeiters Schmeller lässt sich unter der Woche mit dem Sohn der Greißlerin ein.
Wagner begnügt sich nicht mit der erotischen Banalität. Inhaltlich wertet er die Aktualität des Stückes auf, indem er zwei rumänische Flüchtlinge in die Dorfgeschmeinschaft mixt, formal bricht er die Illusion: Zwei Kinder kommentieren die Handlung, die Dialoge, sie machen gleich zu Beginn darauf aufmerksam, dass sie am Ende tot sein werden, und auch andere Figuren treten aus dem Rahmen.
Gezeigt wird, wie die Monotonie des Dorflebens erotische Phantasien freisetzt. Im Falle der Greißlerin entzünden sie sich an einem Flüchtling, auch dessen Landsfrau wird unterstellt, dass sie das Fernweh des Jungen anheizt. Im übrigen hält sich die Fremdenfeindlichkeit der Leute in Grenzen, nur selten flackert sie auf. Die Fremdheit dient vor allem als Folie für den Überdruss am Gewohnten, an der Fadesse des Daheimseins.

Pressestimmen

Dr. Christine Teuschler, BURGENLÄNDISCHE VOLKSHOCHSCHULEN: „Einfach davonlaufen, ja … einfach alles liegen und stehen lassen und ab ins erträumte Land. Weil das ja geht, … so einfach geht. … Und wir, die geborenen Nullen, wir bleiben auf unseren behäbigen Gegebenheiten sitzen. Weil wir Nullen sind!“
Diese Worte der Pendlerfrau Franziska in Peter Wagner Stück „Lafnitz“ kann man wahrscheinlich in vielen vergleichbaren Orten in Österreich, wo über Flüchtlinge gesprochen wird, in ähnlicher Form hören – zu jeder Zeit. Es kann dies als Ausdruck der eigenen verborgenen Sehnsüchte gesehen werden, der eigenen Wunschträume, die allerdings in unserer Kultur weitgehend unterdrückt werden. Zu leicht könnte das Äußern der eigenen „Träume“, Wünsche und Bedürfnisse als Maßlosigkeit interpretiert werden. Neidgefühle schimmern hier durch. In dieser Situation bieten sich Flüchtlinge als ideale Projektionsfläche an, indem sie als maßlos erlebt werden. Auf sie wird die Angst und Verlockung selbst „das Maß zu verlieren“, projiziert. Ihnen wird unterstellt, dass sie vielleicht gar nicht gewillt sind, hart zu arbeiten, dass sie nur hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich kommen, dass sie hier nur materielles und persönliches Glück suchen würden – und sie lieber zu Hause bleiben und ihr Land aufbauen sollten.
So, als ob das für alle Flüchtlinge aus allen Ländern gleichermaßen möglich wäre. So als ob wir wirklich beurteilen könnten, was ein „echter“ Grund ist, seine Heimat zu verlassen. Ist wirklich anzunehmen, dass irgendjemand leichtfertig sein Heimatland und seine vertrauten Lebenszusammenhänge verlässt, dass jemand leichten Herzens mit dem Koffer in der Hand über die Grenze kommt und vielfach seine Verwandten und Bekannten im Ungewissen zurück lässt?
Gerade in Österreich und speziell im Burgenland – wo Migrationsbewegungen und Pendelwanderungen und somit das Gefühl des „Fremdseins“ in einem andern Land, in einer anderen Stadt, eine lange Tradition haben sollte entsprechendes Verständnis vorhanden sein. Auch hier wählten eine große Anzahl von Menschen als Ausweg vor einer hoffnungslosen Zukunft den Weg nach Amerika. Auch unsere Vorfahren waren vielfach einst „Ausländer/innen“. Auch wir waren nach dem Zweiten Weltkrieg stark auf Hilfe von außen angewiesen. Und tausende Österreicher/innen konnten nur überleben, weil ihnen Menschen anderswo Asyl gewährt haben.
War das Österreich nach 1945 noch stolz darauf, immer wieder zahlreichen Menschen als Zufluchtsstätte zu dienen, verkündet man heute „kein Einwanderungsland zu sein“. Dabei sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Seit 1945 haben etwa drei Millionen Menschen Aufnahme in Österreich gefunden. Der überwiegende Teil davon wanderte in ein anderes Land weiter. Angesichts der drei großen Flüchtlingsströme, die Österreich zu bewältigen hatte – 1956/57 stellten 180.000 Ungarn einen Asylantrag; 1968/69 flohen über 160.000 Tschechen und Slowaken über Österreich, 12.000 von ihnen suchten um Asyl an; und schließlich hielten sich nach Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1981/82 zwischen 120.000 und 150.000 Polen in Österreich auf, wovon rund 33.000 Asylanträge stellten – erscheinen die Flüchtlingszahlen der letzten Jahre, insbesondere angesichts des dramatischen Ausmaßes der internationalen Fluchtbewegungen, geradezu lächerlich klein.
Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, auf eine besorgniserregende Tendenz hinzuweisen. Eine Tendenz, die durch die Entwicklungen in Europa in der zweiten Hälfte des Jahres 1989 noch verstärkt wurde. Nach der Beseitigung des „Eisernen Vorhanges“ geht man daran, Hindernisse in umgekehrter Richtung wieder aufzubauen. Sind einerseits Bemühungen im Gange, die Grenzen abzubauen und miteinander ein gemeinsames Europa zu errichten, werden andererseits in diesem vielzitierten „Haus Europa“ immer mehr die Riegel vorgeschoben – nur der gebetene Gast ist erwünscht. Tagtäglich erleben wir neue „Grenzziehungen“ und das Erstarken von Nationalismus und Chauvinismus. Und, anstatt von politischer und medialer Seite solchen Tendenzen entgegenzutreten, werden diese noch gefördert und/oder man gibt dem momentanen emotionalen Zustand der Bevölkerung nach. Ein Zustand, der von der öffentlichen Diskussion beeinflusst ist, wo das Spielen mit Befürchtungen sehr schnell dazu führen kann, dass Menschen Angst bekommen bzw. vorhanden reale Ängste und Unsicherheiten verstärkt werden. Das politische Spiel mit Ängsten, Ressentiments und Vorurteilen ist heute wieder populär. In einer sich aufschaukelnden Wechselwirkung von Agieren und Reagieren, von „Abschieben“ der Entscheidungen auf andere, von gegenseitigen Rechtfertigungen, berufen sich Medien und Politiker auf die „Stimme des Volkes“ und die „Stimme des Volkes“ auf Medien und Politiker. Es droht die vollkommene Kapitulation vor einem Klima der Fremdenangst, der Intoleranz und Entsolidarisierung, wo Existenz- und Statusängste, Frustration und das Gefühl, vergessen zu sein am Werk sind. Man fühlt sich mit seinem „Schweiß“ und seinen „Tränen“ der letzten Jahrzehnte nicht wirklich wahrgenommen. Dadurch entsteht Eifersucht auf jegliche Starthilfe für Flüchtlinge, so als ob dem Nachbarskind etwas geschenkt würde, was man sich eigentlich selbst für seine Tüchtigkeit und Ordentlichkeit verdient hätte.

TÄGLICH ALLES: Die Welt der Weltener
Welten, einkleiner Ort an der burgenländisch-ungarischen Grenze, ein Friedhof im Regen: Eine Handvoll Menschen nimmt Abschied von drei Verstorbenen. So die erste Szene von Peter Wagners 1989 entstandenem Stück „Lafnitz“, das nach vier Vorstellungen im Wiener Akzent (heute letzte Vorstellung) als Produktion des „Volkstheaters in den Außenbezirken“ durch Wien touren wird. Rückblickend schildert der burgenländische Autor die Entwicklung einer Familientragödie. Erzählt vom trostlosen Alltag im Pendlerdorf an der Lafnitz und wie der einzelne vor seinem Schicksal zu fliehen versucht. Demgegenüber stehen zwei rumänische Flüchtlinge, die von Freiheit träumen, ihre Fluch scheinbar hinter sich haben. Fremde in der Fremde, beneidet von den Fremden im eigenen Dorf. In Peter M. Preisslers Inszenierung überzeugt das Ensemble des Volkstheaters, allen voran Matthias Rehrl, Sylvia Eisbenberger und Therese Lohner.

Erich Demmer, AZ : Sprengstoff, Lunten, Funken
Ensemble Theater: Peter Wagners hochaktuelles Flüchtlingsdrama „Lafnitz“
Die Situation rumänischer Flüchtlinge in Österreich ist den heimischen Zeitungen derzeit hysterische Aufmacher wert. Peter Wagner hat sich schon vorher damit auseinandergesetzt – liebevoll, nachdenklich, ohne Schwarzweißmalerei. … Lang anhaltender Applaus.