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Die Schwarze Kaiserin
I kali tschasarkija

Die Inszenierung

Nach einem alten Zigeunermärchen in Deutsch und Roman
Bearbeitung, Liedtexte und Inszenierung: Peter Wagner
Musik: Jan Sokol
Uraufführung: 21. August 1998, Aufgelassener Sandbruch bei Unterwart, Produktion: Theater Am Ort im Offenen Haus Oberwart, Herbst 1998: Deutsch Schützen, Zwettel (Festival Szene Bunte Wähne), Mischendorf, Gerasdorf (Sonderanstalt für Jugendliche); Frühjahr/Sommer 1999: Wien (Szene Wien, 10.-12. Feber), Stainz; Wiener Künstlerhaus / dietheater Wien; Gymnasium Pichelmayergasse, 1100 Wien.

Maskenmädchen: Elisabeth Bakocz, Melanie Berger, Barbara Halper, Silvana Halper, Alexandra Horvath, Cindy Horvath, Manuela Horvath, Valentina Horvath, Tamara Nardai, Tina Nardai; Erzähler: Christine Sztubics (Roman), Peter Wagner (Deutsch/Italienisch); Sängerin: Eveline Rabold; Musiker: Jan Sokol (Gitarren), Thomas Stimpfl (Baßgitarre), Herbert Pratter (Flöten), Chris Schönfeldinger (Glasharmonika), Gerald Schönfeldinger (Röhren-Verrophon)
Kupfermaskenentwürfe: Wolfgang Horwath; Kupfermaskenausführung: Dragan Jevremovic; Kostüm: Birgit Schützenhofer; Regieassistenz: Gabi Grandtner;
Übersetzung ins Roman: Emmerich Gärtner-Horvath, Alexander Gussak, Verein Roma; Lektorat: Michael Wogg (Sprachprojekt Roman mit der Uni Graz)
Regie: Peter Wagner

Stück >>

Persönliche Anmerkung

Peter Wagner: Wie allgemein bekannt war die Roma-Siedlung in Oberwart, dem Ort meiner Kindheit und Jugend, im Jahr 1995 Ziel eines rassistisch motivierten Bombenanschlags, bei dem 4 Roma-Männer aus der oberwarter Siedlung getötet wurden. Mit einem Mal hatte sich etwas aufgetan - sowohl im negativen wie im positiven –, was nicht nur in Oberwart, aber vor allem dort, jahrzehntelang unter einer Decke gehalten war. Über das Negative will ich mich hier nicht lange verbreitern. Positiv war jedenfalls zu vermerken, dass sich eine Reihe von engagierten Mitgliedern der Volksgruppe der Roma plötzlich an die Öffentlichkeit wagten und auf diese Weise nicht nur Einblick in ihre z.T. horrenden Lebensumstände gewährten, sondern auch in das Vorhandensein einer eigenen und eigenständigen Roma-Kultur. Dazu gehören u.a. das Romanes als zwar vom Aussterben bedrohter, rudimentär aber noch immer gesprochener Sprache im viersprachigen Südburgenland. Dazu gehören auch die Roma-Märchen.

Emmerich Gärtner-Horvath, der Geschäftsführer des“ Verein Roma Oberwart“, ist im Frühjahr 1998 mit der Bitte an mich herangetreten, ein Theaterstück mit Roma-Jugendlichen zu inszenieren. Da ich selbst in der Arbeit mit Laien ein unbedingt künstlerisches Produkt intendiere, entwickelte sich aus der Konfrontation von Profi-Musikern mit Roma-Jugendlichen ein nicht immer unschwieriger, für alle aber lehr- und auch lustreicher Prozess, der vieles von unseren sehr typischen gesellschaftlichen Vorurteilen, auch in der relativ zielorientierten Gemeinschaft eines gemeinsamen Theaterprojektes, ans Tageslicht brachte. Dies auch in eher atypischer, jedenfalls subtilerer Form – und wenn es dabei nur um die gut gemeinte Anbiederung an die jeweils andere Volksgruppe handelte.

Alles in allem ist jedoch unbedingt anzumerken, dass die 10 jugendlichen Mädchen seit dieser Inszenierung mit einem anderen, gestärkten Selbstbewusstsein in Schule und Öffentlichkeit auftreten (gerade daran mangelt es den Roma auch heute noch am meisten!); dass der Umgang miteinander lockerer und natürlicher geworden ist; dass sich auf der anderen Seite aber auch immer wieder neue Spannungsfelder ergeben – und das soll ja auch so sein, auch wenn das Handling solch einer heterogenen Gruppe für mich als die zentrale Person nicht immer ganz einfach war und ist. Daher muss ich meine Entscheidungen umso behutsamer und unter Einbeziehung vieler Personen (z.B. auch der Eltern der Jugendlichen, die u.a. mit Übervorteilungsängsten und Eifersüchten kämpfen) treffen. Das macht das Organisieren nicht gerade einfach, andererseits stellt es eine auch für mich neue Erfahrung dar, die ich nicht mehr missen möchte.

Für mich ist das künstlerische Produkt immer wichtig, in diesem Fall sind aber sogar die Eckpfeiler, auf denen dieses Projekt steht, schon ein Teil dieses künstlerischen Produktes. Daher liebe ich es wie am ersten Tag, was bei mir selten vorkommt, weil es ja auch unabdingbar notwendig ist, sich von seinen Kindern zu trennen. In diesem Fall aber geht die Erregung über einen soziokulturellen Prozess, der hier an einem Theaterprojekt begonnen hat und sich ja wohl auch im Erwachsenwerden der Roma-Mädchen manifestieren wird, täglich in irgendeiner Weise weiter.

Ich möchte weiterhin festhalten, dass ich nicht mit folkloristischen Artisten (im Sinne von Andre Heller etwa) hantiert habe, sondern mit ganz normalen, mitunter schaurig untalentierten Durchschnittsmenschen, zu denen überhaupt erst eine komplizierte Annäherung vollzogen werden musste, um ihnen meine Intentionen als Autor und Regisseur einer gemeinsamen Arbeit nahe bringen zu können. Dass dies gelungen ist, erfüllt mich mit Genugtuung, denn gerade die Roma galten und gelten in unseren Schulen als lernschwach, faul und unwillig. Ich habe das Gegenteil erfahren.

Es ist mir auch in keiner Weise daran gelegen, Roma-Folklore zu reproduzieren, da diese – gerade was die Jugendlichen betrifft, die genauso Celin Dion und die Spice-Girls anhimmeln wie ihre Altersgenossen – die verlogenste Form der Selbstdarstellung abgegeben hätte. Sehr wohl habe ich auf so manches, was den Roma auch heute noch entgegenkommt – z.B. Kupfermasken, Feuer, Melodien in der Musik –, wert gelegt. Ich wollte aber nicht, was viele mit Roma identifizieren und vielleicht auch gerne gesehen hätten: Tschardasch und Spektakel. Das hätte nicht funktioniert, weil die Roma-Mädchen gar keine Voraussetzungen dafür mitbringen, und ich eine andere Inszenierungsabsicht verfolgte: ich wollte die Geschichte als eine gar nicht laute Erzählung im zarten Geisterreigen der Nacht ansiedeln und dem Märchen seine schlichte, naive und wahrscheinlich genau deswegen atavistische Kraft belassen.

Das Märchen „Die Schwarze Kaiserin“ erzählt von einem gefallenen Helden, der nach der Mißachtung eines Verbots in der Unterwelt landet. Dort soll er von der Schwarzen Kaiserin aufgefressen werden. Doch die Liebe einer der Töchter der Kaiserin, die über einen magischen Ring verfügt, hilft ihm bei der Lösung noch so aussichtslos erscheinender Aufgaben, ja sie errettet den Helden vor dem sicher erscheinenden Tod.