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Nebochantnezar oder Die Magie des Presslufthammers

Die Inszenierung

Mysterienspiel für einen Wurm und seine Spiegelungen
von Peter Wagner

Uraufführung

Premiere: 25. Oktober 2017, 20:00 Uhr, klagenfurter ensemble / Produktion: klagenfurter ensemble
Mit Gernot Piff, Oliver Vollmann, Angie Mautz, Michael Kuglitsch
Bühne, Lichtdesign und Inszenierung: Peter Wagner
Kostüm und Ausstattung: Bella Ban / Komposition und Live-Musik: Stefan Gfrerrer
Produktionsleitung und Pressearbeit: David Guttner / Regieassistenz: Kerstin Haslauer
Ton und digital Mapping: Konrad Überbacher / Bühnenbau und Licht: Gottfried Lehner / Büro: Franz Doliner
Nebochantnezar Official Trailer >> / Nebochantnezar – Alles scharf (Die bewusste Minute davor) >>
Zu Peter Wagners Stück „Nebochantnezar“: Notizen eines Besuchers nach der Premiere. Von Siegmund Kleinl >>

Was, wenn dem biblischen Schöpfer die Entwicklung seiner Lieblingskreatur, des Menschen, entglitten ist, Er die von diesem verursachte Erderwärmung als Anmaßung einer immer näher rückenden Sonne missversteht und diese zur Strafe aus dem Firmament verbannen möchte, was auch das Ende der Menschheit bedeuten würde?

Die Melancholie, notorische Verteidigerin des Menschengeschlechts, möchte das natürlich verhindern. Beelzebub hätte zwar nichts lieber als das Ende der Menschbrut, mit der er einen Kampf führt, seitdem er ihretwegen von der Seite des Schöpfers verstoßen worden ist. Doch will er deren Ende erst, nachdem der Schöpfer eingesehen hat, dass er mit der ebenbildlichen Kreatur einen „Pfusch“ gebaut habe. Der Schöpfer lässt sich auf den Deal ein: Beelzebub solle Ihm den Beweis erbringen, dass sich jeder Nebochant, einmal im Besitz des dafür nötigen Instrumentariums, zum Nebochantnezar aufschwingen könne, um sich mit Gott auf eine Stufe zu stellen.

Und so erhält der soeben verblichene Michael Wurm, den Beelzebub davor bereits als den ins Spiel gebrachten Nebochant identifiziert hatte, eine zweite Chance. Er wird zurück ins Leben geschickt, um den besagten Beweis zu erbringen. Als Instrument dafür wird ihm ein eigenwilliger Presslufthammer in die Hände gelegt, mit dessen Hilfe die Menschen ungehemmt ihren Zerstörungsgelüsten nachgehen können. Das verschafft ihm einen unermesslichen Reichtum.

Zunächst aber ist der Wurm nach wie vor ein Nebochant, d.h. zu wirklicher Größe, die ihm sein Reichtum abverlangen würde, nicht fähig. Doch das von CEO Beelzebub geleitete Neboch-Imperium kennt Abhilfe: In den international vernetzten Neboch-Laboratories wird längst an bioenergetischen Möglichkeiten nicht nur zur Verlängerung des menschlichen Lebens, sondern auch zu Optimierung des menschlichen Algorithmus bis hin zur lexikalischen Allwissenheit geforscht und experimentiert. Michael Wurm kommt in den Genuss eines fortgesetzten Upgradings und erscheint plötzlich als tatsächlich allwissend. Dies hat jedoch zu Folge, dass er zunehmend menschliche Eigenheiten wie Angst, Hemmung, Zweifel, aber auch Hoffnung und Freude verliert. Die Rache der Melancholie, die gänzlich obsolet zu werden droht, ist eine furchtbare: In einer Hunderttausenderpotenz entfaltet sie eine Wirkung in den Restbeständen seiner Seele, die den Nebochantnezar nicht nur zum Menschenfresser macht, sondern zuletzt auch in den Irrsinn der Allwissenheit ohne Substanz treibt.

Derweilen umarmen einander der Schöpfer und der als CEO gefeuerte, weil ebenfalls obsolet gewordene Beelzebub in dem ursprünglich für einen Wurm vorgesehenen Sarg.

Pressestimmen

DER MENSCH VERSAUT DIE SCHÖPFUNG
Unerschütterlich hält Peter Wagner an seinem eigenständigen Ausdruck als Autor und Regisseur fest. So intensiv wie jetzt in seinem jüngsten Wurf „Nebochantnezar oder Die Magie des Presslufthammers“ hat er es wohl noch nie getan. Das als Mysterienspiel angelegte zwei Stunden dauernde Opus pocht wild in der Halle 11.
Denn der Theaterfuchs konstruiert das düster-derb-komische Geschehen rund um „einen Wurm und seine Spiegelungen“ nach allen Regeln des Genres: auf zwei Ebenen, optische wie sprachlich präzise, zu grandiosem Lichtdesign, markantem Live-Sound (Stefan Gfrerrer) und witzig gestylt (Bella Ban): Das Göttliche oben, das Menschlich-irdische unten, Bibelzitate gegen nebochantische, vulgär-deftige Sprachfantasien („indischer Kloakentaucher“). Bis es am Ende k.k. gemütlich heißt „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“. Auch ein Mysterienspiel ist nur Theater und nicht echt. Aber ans Gewissen muss es gehen – und Wagner prophezeit punktgenau: „Der Mensch versaut die Schöpfung.“
Er gibt dem schon fast gescheiterten Mittelmaß (Michael Kuglitsch als Nebochant Wurm) eine zweite Chance: Mit Beelzebub (Oliver Vollmann) wird Wurm Erfolgstyp in einer Gewalt-Trash-Gesellschaft. Sein Presslufthammer „Habib“, Wunderwaffe und weltweiter Verkaufsschlager, stößt Gott (Gernot Piff) vom Thron. Wie tief bohrt der Autor hier mit einem arabischen Liebeswort für ein tödliches Gerät in alle Bereiche heutigen Seins! „Melancholie“ (Angie Mautz) ist „out“. Totales, Wildes, zu langes Jedermann-Theater. Bis 11.11.
Andrea Hein, Neue Kronenzeitung, 30. Oktober 2017

URAUFFÜHRUNG: EIN NEBOCHANT, DER NABUCCO SEIN WILL
Opulent, sinnlich und mit einer Portion Humor probt das klagenfurter ensemble „Nebochantnezar“ von Peter Wagner. Ein Mysterienspiel um menschliche Hybris und alttestamentarische Stoffe. Premiere am 25. Oktober.
Komödie oder Endzeit-Epos? Leichtfüßig soll es jedenfalls daherkommen, das Mysterienspiel in der Tradition eines „Jedermann“, und schwergewichtig soll es sein in seiner Aussage: „Jeder Nebochant glaubt, dass er ein Nebukadnezar werden könnte“, sinniert Peter Wagner über die Hybris des Menschen, der glaubt, sich mit Gott auf eine Stufe stellen zu können.
Der burgenländische Autor und Regisseur, schon lange dem klagenfurter ensemble verbunden (zuletzt mit „Aus“ von Alois Hotschnig), sorgte kürzlich mit seinem Theaterstück über die 71 toten Flüchtlinge in einem Kühl-LKW bei Parndorf für Aufsehen. Nun legt er mit „Nebochantnezar oder Die Magie des Presslufthammers“ ein Werk vor, das tief in biblischen Erzählungen und mittelalterlichen Mythen gräbt (Premiere: 25. Oktober, Theater Halle 11).
Der Mensch ist buchstäblich ein Wurm: Michael Wurm, soeben verstorben (Michael Kuglitsch), erhält von Gott, dem „Allgenügenden“ (Gernot Piff), eine zweite Chance und wird zurück ins Leben geschickt. Der „CEO Beelzebub“ (Oliver Vollmann) hat dabei natürlich auch seine Finger im Spiel und „upgraded“ den Wurm-Nebochantnezar zu scheinbarer Allwissenheit. Doch nicht nur der Teufel bemüht sich um die Seele des Nebochanten, auch die Melancholie (Angie Mautz) spielt in diesem Machtkampf eine wesentliche Rolle. Themen wie Unsterblichkeit, Klimawandel und Biowissenschaften werden vor alttestamentarischem Hintergrund abgehandelt, „so philosophisch wie gewalttätig wie poetisch“, was für Peter Wagner „eine Art Krönung“ seiner Arbeit, mit „den Schauspielern, für die ich es geschrieben habe“, sein wird.
„Nebbich“, so der jiddische Ausdruck für „unwichtig“, „kleinkariert“ oder auch „ein Schnorrer“, ist der Mensch, ein Wurm im Staub, so wie der größenwahnsinnige babylonische König Nebukadnezar, der auch als „Nabucco“ in der (Opern-)Literatur bekannt ist.
Nicht lumpen lassen will sich diese jüngste Produktion des ke-Theaters, die auf Lichteffekte, eine Ausstattung von Bella Ban und die Live-Musik von Stefan Gfrerrer setzt. „Sinnlichkeit ist das Schlüsselwort“ erlaubt Autor und Regisseur Wagner einen Blick hinter die Kulissen des „dystopischen Lustspiels“, das ohne Pause rund zwei Stunden dauern wird. Ob Komödie oder Endzeit-Epos wird das Publikum entscheiden.
Karin Waldner-Petutschnig, Kleine Zeitung, 21. Oktober 2017