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Rattensturm.
Angriff auf ein Sinkendes.

Eine Kriegsoper

Die Inszenierung

von Erling Wold (Musik) und Peter Wagner (Libretto) / nach einer Idee von Gerhard Lehner

Mitwirkende: Sebastian Brummer, Martin Ganthaler, Michaela Khom, Angie Mautz, Marilene Novak, Michael Uhlir & Nadine Zeintl
Inszenierung, Bühnen-, Video- und Lichtkonzepte: Peter Wagner
Bühnenbemalung: Manfred Bockelmann / Kostüm: Markus Kuschner
Musikalische Leitung: Alexei Kornienko und Elena Denisova / Orchester: Collegium Musicum Carinthia
Produktionsleitung: David Guttner

Fotos: Günter Jagoutz

Die Premiere von RATTENSTURM findet am 13. Juni 2018, also rund um den hundertsten Jahrestag des Unterganges der Szent István, in der theaterHALLE 11 in Klagenfurt statt. Beginnzeit: 20:00 Uhr
Weitere Vorstellungen: siehe www.klagenfurterensemble.at

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Pressestimmen

Brillante Demaskierung der Bestie

Klagenfurt: Jubel für einen großartigen „Rattensturm“ im ke-Theater Halle 11

Am bitteren Ende sind sie alle krepiert – winselnd und wimmernd im eigenen Blut, das wie ein Schrei auf titenschwarzer Bühne hockt und sich im kolossalen Bühnenbild zum gähnenden Schiffsbauch aufwirft. Dieser ist Resonanzkörper und Echoraum für die Kriegsoper „Rattensturm“, deren Uraufführung für das klagenfurter ensemble Mittwoch zum bejubelten Ereignis gerät.

Was für ein gewaltiger Wurf ist da gelungen mit dieser so brillanten wie eindringlichen Demaskierung glühender Kriegstreiberei, großer Geister und perverser Allmachtsfantasien, die sich am Untergang der Szent István, Pracht und Stolz der k.u.k. Kriegsmarine festmachen und auf genial verschränkten Handlungsebenen zum universellen Abgesang verdichten. Komponist Erling Wold, renommierter Experimentator des Mikrotonalen, vermisst die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges mit filmmusikalischer Melancholie und ohrgängiger Melodik, die mit dem blendend disponierten Collegium Musicum Carinthia unter Alexei Kornienko aus der repetitiven Hypnotik eines Philip Glass erstehen mit langem Wellenschlag ans Ohr branden.

So unaufgeregt die Minimal Music des Amerikaners ein weiches, sakral behaftetes, von Trommelwirbel, Lebensdurst und tiefer Trauer durchpulstes „Leichentuch“ über den Todeskampf von Schiff und Völkern legt, während Elena Denisovas Geigenklagen die versunkene Hoffnung beweint, so virtuos entfacht Regisseur und Librettist Peter Wagner einen naturgewaltigen „Rattensturm“.

Besagter bläst mit grandiosem Sänger-Ensemble und perfekt getimtem, virtuellem Chor zu orchestrierten „Angriff auf ein Sinkendes“, und tritt im Schiffsbauch von Manfred Bockelmanns Riesenbühne der Bestie Krieg Raum und Geist füllend entgegen. „Der Krieg beginnt bei der Sprache“, sagt Wagner und macht die Sprache (einmal mehr) zu seiner schärfsten Waffe: Zitate von „Kriegern“, Philosophen, Künstlern und Literaten fließen in sein Libretto mit ein und entlarven als „Propaganda“-Parolen das Kriegshandwerk als menschenverachtendes Allmachtsspiel, das keine Sieger kennt. Parallel dazu verschränkt sich die historische Tragödie der Szent István zur universellen Metapher des Scheiterns, das Angie Mautz als Erzählerin ebenso brillant trägt wie alle Beteiligten. Nach knapp zwei Stunden bleibt die Erkenntnis, dass dieser bejubelte „Rattensturm“ etwas Großes ist, das weit über die Landesgrenzen zu strahlen vermag. Ein Muss!

Irina Lino, Neue Kronenzeitung, 15. Juni 2018

Vom Sterben „für Kaiser und Vaterland“

Gelungene Uraufführung: Mit der Kriegsoper „Rattensturm“ kreuzt das klagenfurter ensemble in historischen Gewässern

Buchstäblich blutrot ist die aufwendige und eindringliche, jüngste Produktion des klagenfurter ensembles: Anhand der Untergangsgeschichte des Schiffes Szent István, einer Wunderwaffe der k.u.k.-Marine, warnen Autor Peter Wagner und Komponist Erling Wold vor Kriegshetze und Schützengrabenromantik.

Exemplarisch zeichnen sie in der Anti-Kriegs-Kammeroper „Rattensturm“ das Aufrüsten in Worten und Taten vor Ausbruch und während des Ersten Weltkrieges nach. Wie sie das tun, ist abwechslungsreich und aufwühlend.“

„Rot ist die Lebensafarbe“, meinte Oskar Kokoschka, „aber rot ist auch die Todesfarbe“. – „Die Menschen wussten das“, lässt eine andere Stelle im Libretto keinen Zweifel an Verantwortung und Verführbarkeit der Bevölkerung. Der Text, der zum Großteil als Collage von literarischen Zitaten und Zeitzeugen-Berichten verfasst ist, führt in fünf Akten durch die fünf Kriegsjahre. Für „Kaiser und Vaterland“ schrieb damals Alice Schalek, die sensationsgierige Kriegsberichterstatterin, die in Karl Kraus´ “Letzte Tage der Menschheit“ verewigt wurde. Aber auch Stefan Zweig schwärmte vom „Glück, gegen den Feind reiten zu dürfen“, während Georg Trakl in seinem letzten Gedicht (Grodek) klagt: „Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz.“

Schmerzhaft deutlich macht das Schwanken zwischen Kriegsbegeisterung und Kriegsmüdigkeit das großartige Ensemble: Angie Mautz als Maschinenbetriebsleiter Karl Mohl führt im Rollstuhl durch das Geschehen, lässt die wachsende Beklemmung an Bord des Unglücksschiffes spüren. Nadine Zeintl als Verrückter in Uniformrock irrlichtert durch den Theaterraum, der, um die Lounge vergrößert, die klaustrophobische Stimmung unter Deck nachfühlen lässt. Manfred Bockelmann hat sich für die Bühnengestaltung blutrot bemalte, variable Wände ausgedacht, die als Schiffskulisse und Projektionsfläche dienen, was die raffinierte (Licht-)Regie von Peter Wagner zu nutzen weiß.

Nicht nur Videosequenzen und Zitate werden da an die Wand geworfen, auch ein virtueller Chor leitet im Stil griechischer Tragödien von einem Akt zum nächsten. Sein Gesang ist aufgezeichnet, die orchestrale Begleitung dazu allerdings live. Das Collegium Musicum Carinthia unter der Leitung von Alexei Kornienko spielt im Hintergrund des Raumes zum Video, während danach auf der Bühne die „Ratten“ ihrem Untergang entgegensingen: Sebastian A.M. Brummer, Martin Ganthaler, Michaela Khom, Marilene Novak und Michael Uhlir sind neben Nadine Zeintl stimmsichere und spielfreudige Kriegs-Zombies in Uniform und Gasmaske. Es stapfen die Militärstiefel durch die Szenerie, schrillen die Trillerpfeifen und knallen die Ledergürtel auf den Boden – perkussive Elemente, die auch choreografiert werden, wechseln in der sich dramatisch steigernden Musik des US-Amerikaners Erling Wold mit Kirchenchorälen: Da wird „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ mit dem Text von Peter Rosegger zu „Je mehr ein Herz geblutet, je größer ist sein Wert“, Trommelwirbel und Marschlieder sind ebenso zu hören wie lyrische Passagen voll Innigkeit und Wehmut.

Blutrot klingt also auch die Musik zur steigenden Panik im Hexenkessel des sinkenden Schiffes, das von einem italienischen Torpedoboot versenkt wurde. Der „Krieg als kannibalisches Festmahl“ schlug dem Premierenpublikum auf den Magen. Mit minutenlangen Standing Ovations tauchte es aber schließlich begeistert aus den bedrohlichen Fluten wieder auf.

Karin Waldner-Petutschnig, Kleine Zeitung, 15. Juni 2018

Von Kriegstreiberei und Kriegsmüdigkeit

Erling Wolds und Peter Wagners Oper „Rattensturm“ geht in Klagenfurt sehr unter die Haut.

Völlig verrenkte, liegende Körper, über die jemand mit derben Stiefeln steigt auf der Bühne und an der Videowall: So beginnt und endet „Rattensturm“ die neue Kammeroper von Erling Wold (Musik) und Peter Wagner (Libretto), wobei letzter auch für die Inszenierung verantwortlich zeichnet.

Damit macht uns der Regisseur von Anfang an klar, worum es in diesem Stück geht, um Krieg. Deswegen auch der Untertitel: Kriegsoper. Es geht um ein Schiff, der ganze Stolz der k.u.k. Kriegsmarine. Und gleich beim ersten Auslaufen aus dem Hafen von Pula wurde es in der Kvarner Bucht versenkt. Das war 1918. Jetzt 100 Jahre später wurde „Szent István“, so der Name des Schiffs, Stoff für eine Oper, die vom „klagenfurter ensemble“ in der Halle 11 uraufgeführt wurde.

Kluge Collage
Aber hier verlassen die Ratten nicht das sinkende Schiff, sondern entern es zuerst und bringen es dann zum Untergang. Die Geschichte ist ein Synonym für den Untergang der Monarchie, ein vielstimmiger Kanon zwischen Kriegstreiberei und Kriegsmüdigkeit. Geschickt verwebt der Autor sie in einer Collage von Zitaten von Trakl, Zweig, Kokoschka, Werfel, Musil oder Gorki.

Dafür hat man einen langen Schiffsbauch kreiert, dessen Innereien von Manfred Bockelmann malerisch auf die roten Wände geworfen wurden, mit einem Mast, der nach der Katastrophe völlig schief wird. Von einer Erzählerin (wortdeutlich: Angie Mautz) wird der an sich handlungsarme Plot vorangetrieben, während von sechs Sängern in unterschiedlichen Uniformen der Krieg allgemein in verschiedensten Arrangements kommentierend besungen wird.

Singende Ratten
Dabei ist allen voran die darstellerisch und sängerisch intensive Nadine Zeintl als „Verrückter“ zu erwähnen, die von den fünf exzellent singenden „Ratten“ Sebastian Brummer, Martin Ganthaler, Michaela Khom, Marilene Novak und Michael Uhlir unterstützt wird. Zudem wird auch ein achtköpfiger Chor virtuell eingespielt.

Die Musik des Kaliforniers Wold ist geprägt von Minimal Musik und Neoromantik. Sie ist meist untermalend, manchmal auch recht seicht, nie neutönend und ebenfalls mit einigen Zitaten unterspickt. Sie wird vom fünfköpfigen Collegium Musicum Carinthia unter Alexei Kornienko sehr akribisch und gekonnt wiedergegeben.

Helmut Chr. Mayer, Kurier, 18. Juni 2018

THE REHEARSAL STUDIO - TUESDAY, FEBRUARY 19, 2019

Wold’s Latest Opera Revisits Horrors of WWI

It is still very early in the year, but there is a good chance that the most significant opera event of this year may only be experienced by virtue of a film that was screened last night at the Little Roxie. The work is the one-act “Rattensturm,” the latest opera by Erling Wold, whose track record as an opera composer has been as distinctive as it has been prolific. To commemorate the 100th anniversary of the end of World War I, the Klagenfurter Ensemble, named after the capital of Carinthia in Austria where it is based, commissioned Wold and his librettist Peter Wagner. 

The idea for the opera came from the Ensemble’s Artistic Director Gerhard Lehner, who wished to commemorate one of the war’s most ludicrous episodes. This involved the sinking of the SMS Szent István, built to be the pride of the Austro-Hungarian Navy. While the adjective “unsinkable” never shows up in the opera’s libretto, the meticulous description delivered by Machine Operator First Class Karl Mohl (sung from a wheelchair by Angie Mautz) establishes the context for the presumed superiority of Austro-Hungarian military forces in a manner that makes comparison with the RMS Titanic inevitable. However, while the Titanic may have gone down due to the mismanagement of its own crew, the Szent István was sunk during its maiden voyage in June of 1918 by an Italian torpedo boat led by a captain with a combination of knowledge and instinct for clever maneuvers.

If Mohl is the narrator of the tale of the Szent István’s fate, he is abetted by a Greek chorus of five rats (Michaela Khom, Marilene Novak, Martin Ganthaler, Michael Uhlir, and Sebastian A. M. Brummer) residing in the ship’s belly, presided over by a “Lord of the Rats” (Nadine Zeintl). They establish a context that underscores the folly of waging war in the first place. That folly is first disclosed through a rat-by-rat citation of sources regarded as some of the finest figures in German-speaking intellectual life, including Robert Musil, Stefan Zweig, and Thomas Mann. Those figures are joined by representatives of other nationalities, such as Charles Péguy and Vladimir Mayakovsky.

The result is a text that devotes almost all of its time to describing what is happening, rather than enacting it. Fortunately, Wagner had the responsibility for staging the production; and, working with a minimum of visual resources, he successfully conveyed all of the action that unfolds. The Greek chorus of the rats (each of which establishes its own individuality) is supplemented by a musical chorus of two sopranos, two altos, two tenors, and two baritones. Like the instrumental ensemble, which consists only of a string trio (violin, viola, and cello), percussion, and keyboards, the chorus is primarily (but not exclusively) kept out of view behind the main portion of the stage where the action unfolds. All musical resources were conducted by Alexei Kornienko.

As might be imagined, the musical result was one of distinctive transparency. The eclecticism of Wold’s musical language provided just the right context for a staging in which there is an ongoing shift of perspectives among what is seen, what is narrated, and what is imagined. If that eclecticism covered a wide diversity of bases, it evolved through smooth transitions from one base to the next. Most significantly, there is an ongoing drive to the score that keeps moving, even when acts of narration hold an episode fixed in time while descriptions unfold. The result was an uninterrupted experience of about 90 minutes’ duration during which one never felt as if there was a lull in the action.

“Rattensturm” was given its premiere performance last year on June 13, scheduled to mark the 100th anniversary of the date on which the brawny Szent István was brought down by skillfully deployed Italian torpedos. This was followed by eight more performances during the month of June. One might think that, given how much imaginative staging was required to realize a libretto that was more metaphorical than narrative, translation to film would not be easy. Nevertheless, all nine performances were filmed; and, from that “visual database,” clever editing yielded an account through which the richness of both Wold’s score and Wagner’s staging could be appropriately appreciated.

The only downside to this account is that the result was scheduled for only one screening in San Francisco, and that screening took place last night. The possibility that this might lead to a staged performance is devoutly to be wished. Meanwhile, the video content that was captured and crafted into a document unto itself definitely deserves more exposure to wider audiences requiring more seating space than that afforded by the Little Roxie!

Posted by Stephen Smoliar