Skip to main content

Adolf Hitler Superstar

Wem's jetzt noch nicht klar ist, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen: die populärste aller weltgeschichtlichen Figuren in deutschen und ostmärkischen Landen ist und bleibt unser unvergesslicher Adi. Wir haben dich nicht vergessen, und manchmal scheints, als wärst du wieder unter uns.
Peter Wagner

Erschienen am  6.9.1978 in der OZ (Oberwarter Zeitung)

Erschrecken Sie nicht, liebe Demokraten! Die Wahrscheinlichkeit, dass ein gewisser Pauli Wasserkopf irgendwo in Brasilien oder Argentinien als Adolf Hitler identifiziert wird, ist eher gering, um nicht zu sagen ausgeschlossen. Und doch feiert diese miese teutonische Strohpuppe des damaligen deutschen Großkazitals wieder eine fröhliche Auferstehung. Spitzfindige Geschäftsleute, um immer neue Melkkühe noch nie verlegen, haben vor noch gar nicht allzu langer Zeit endlich eine klaffende Marktlücke gefüllt und erkannt, welche ungeheures finanzielles und ideologisches Potential der Führermythos in sich birgt. Man tut demnach genau das, was man gewöhnlich mit weniger politischen Lackaffen des Showbusiness (sieht man von dem rechtsradikalen Schnulzensänger Heino ab) zu tun pflegt, um an ihnen Millionen zu verdienen: man macht Hitler zum Star. Und schon rollt der Rubel, dass dieser Bursche, Hitler natürlich, so einiges Sensationelles zu bieten hat, steht ja wohl außer Zweifel. Außerdem: solange Geld die Welt regiert – wenn man diesem bestechend einfachen Sprüchlein Glauben schenken darf –, wird keiner darauf verzichten wollen, am großen Käsekuchen mitzuknabbern. Also, wühlt man schön auf den Dachböden, ein kleiner, von Hitler persönlich gezeichneter Brief an den Opa oder gar an die Oma ist heute Goldes wert!

Gerade in einer Zeit aber, wo der Hitler-Boom bereits um seine Führung in der Hitparade kämpfen muss, wo die meisten Hitler-Biographien gedruckt und vergriffen, die meisten Filme gedreht und gezeigt sind, wo das Hitler-Musical längst komponiert und aufgeführt ist, wo also die meisten Millionen schon kassiert sind – da wartet auch das allseits bekannte Reisebüro Südburg, mit Zweigstelle am Hauptplatz Oberwart, mit einer entzückenden Idee auf. Jenes Reisebüro nämlich, das zwar den Besitzer, nicht aber den Namen geändert hat, aus welchen Gründen auch immer. Eingeladen wird, mittels einer vierfarbigen Postwurfsendung, „zu einem unvergesslichen Urlaubstag mit historischer Rundfahrt durch das Berchtesgardener Land“. Und unter dem verführerischen Foto von dem berühmten, panoramaumränkten Steinhaus auf dem hohen Felsen, in dessen Hof hunderte Pilger in stiller Andacht zu lagern scheinen, steht in großen Lettern geschrieben: „Adolf Hitlers ’Adlerhorst’ am Obersalzberg, das ehemalige Führerhauptquartier“.

Voller gespannter Neugierde schlägt man das Papier auf und stößt auf das Tagesprogramm, das sämtliche „großartigen Leistungen dieses herrlichen Tages-Ausfluges“ anpreist. Hier ist zu erfahren, dass man nach einem guten Schluck Enzian in der ältesten Enzianbrennerei Deutschlands noch eine Werbe- und Verkaufsveranstaltung einer hannoveranischen Firma über sich ergehen zu lassen hat (zu welchem Zweck das wohl?), ehe es nach dem Mittagessen mit Sonderpreis endlich so weit ist: die „Historische Rundfahrt in die Vergangenheit“ kann beginnen – für alle jene, die halt heute noch immer ein bisserl an ihr hängen, an der Vergangenheit. Man wird die Befehlszentrale, den „Adlerhorst“, das Türkenhaus (Sitz der ehemaligen Gestapo), die SS-Kasernen, Hitlers Privatbunker, Hitlers Haus „Wachenfeld“ und vieles anderes mehr besichtigen und bewundern können, und bei soviel geballter Vergangenheit darf man auch das eigene Selbstwertbarometer genüsslich in die Höhe schnellen lassen. Denn mit Sicherheit wird man am Adlerhorst Gesinnungsgenossen antreffen und neben nostalgischen Erinnerungen auch wieder ein tapferes Wörtchen über die heutigen gesellschaftlichen Zu- und Missstände wagen dürfen, Prost auf den neuen alten Führer, hoffentlich kommt er noch rechtzeitig und so weiter.

Die Rückfahrt schließlich garantiert „stimmungsvolle Bordmusik“. Dabei wird es bestimmt niemandem verübelt, wenn er mit schallendem Tenor das eine oder andere vierstimmige Naziliedchen anstimmt. „Ein herrlicher Tag, um den Sie ihr gesamter Bekanntenkreis beneiden wird!“ Und auf der Rückseite des gefalteten Blattes wird einem die Reise durch ein Foto von Hitlers zerstörtem Berghof noch einmal so richtig schmackhaft gemacht.

Auf, Kameraden! Am 7. September ist es soweit. Start in’s Vergnügen um 3.50 Uhr, das ganze um den lächerlichen Fahrpreis von nur 225 Schilling, da muss man doch zugreifen. Allerdings bitte Anmeldekarte „sofort ausfüllen und abschicken, da unsere Fahrten meist ausgebucht sind“.

Noch ein wertvoller Hinweis von mir: Teilnehmer dieser herrlichen Reise werden beim Einsteigen in St. Martin, Drumling, Oberwart und Unterschützen garantiert nicht von den lästigen Kameras der Verfassungsschützer beobachtet. Es ist nach wie vor Privileg angeblich linksextremer Kreise, in die Kartei der Verfassungsfeinde einzugehen. Diese haben zwar noch keinen Weltkrieg angefangen wie die Hitlerfaschisten und ihre Geldgeber (welche ja heute noch weitgehend das wirtschaftliche und z. T. auch politische Geschehen bestimmen, wie es uns der Fall Filbinger vor Augen geführt hat), dafür werden sie aber ausnahmslos in einem Topf mit Terroristen und Sympathisanten geworfen. Dazu genügt bekanntlich schon eine Anti-Atom-Plakette am Rockkraoen.

Ihr seid natürlich keine Terroristen, die ihr voller Wehmut und stillem Fanatismus die Wirkungsstätten Eures Führers besucht. Und auch Ihr seid keine, die ihr zu solchen Fahrten einlädt. Aber Sympathisanten seid Ihr, Sympathisanten eines Mörderregimes- Natürlich sollte Euch genauso der Hass der Öffentlichkeit gelten. Doch dem bestechend einfachen Sprüchlein entsprechend wird’s ein Geschäft, und Geschäft bleibt Geschäft. Schade nur, dass im Programm für die Heimfahrt kein Abstecher nach Mauthausen mit Besuch des dortigen Konzentrationslagers vorgesehen ist. Dadurch würde die „Historische Rundfahrt in die Vergangenheit“ garantiert um einiges kompletter!