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OFFENER BRIEF AN DEN LH UND LH-STV. DES BURGENLANDES

bzgl. Bildung einer Koalition mit der FPÖ

Und: Ablehnung der Übergabe des Burgenländischen Volkskulturpreises durch Landeshauptmann Niessl

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,
lieber Hans!
Sehr geehrter Herr Landeshauptmannstellvertreter,
lieber Franz!

Was müsst ihr euch doch in den letzten Jahren und Jahrzehnten aneinander abgeplagt, ja abgequält haben, dass ihr euch so zu verabscheuen begonnen habt? Wie groß muss der Leidensdruck am jeweils anderen geworden sein, dass ihr die Regierungsarbeit der letzten anderthalb Jahrzehnte im Nachhinein offenbar als leidvolle Zwangsehe seht? „Veränderung!“, raunt ihr jetzt, und es tropft wie Angst- und Hoffnungsschweiß zugleich von eurer Stirn: „Veränderung!“ ... und ihr meint damit nichts anderes als: Nur so schnell wie möglich weg vom anderen!

Anders ist eure einhellig vollzogene Flucht zu den Blauen, die sich da abzuzeichnen beginnt – nicht einmal heimlich, still und leise, sondern lauthals röhrend -, nicht zu verstehen. Es wird die nächste Zwangsehe sein, glaubt mir - sofern sie denn zustande kommt! Denn sie speist sich aus nichts anderem als dem Zwang, an der Macht festzuhalten bzw. endlich an diese heranzukommen. Um welchen Preis, das scheint euch beiden völlig wurscht zu sein!

Lieber Hans, lieber Franz! Gibt es euch nicht selbst zu denken, wenn eure Parteigremien euch nach dieser Abstrafung durch den Wähler das volle Vertrauen aussprechen und euch jede Handlungsfreiheit für die kommenden Verhandlungen, zumal auch für jene mit der FPÖ, überlassen? Gibt es euch nicht zu denken, dass eure Funktionäre offenbar nicht einmal mehr etwas zu diskutieren bzw. in Frage zu stellen bzw. anzuregen haben – oder aber zu duckmäuserisch und feige sind, dies auch öffentlich zu äußern? Fällt euch dabei gar nicht auf, welch einen Speckgürtel an Ja-Sagern und Abnickern ihr euch in den letzten drei Regierungsperioden angefressen habt? Und sollte es darüber hinaus wirklich sein, dass dieser Umstand euch, die ihr Repräsentanten eines demokratischen Gesellschaftssystems seid, nicht einmal peinlich ist?

Es gab einmal eine Zeit, da gehörte es zum Selbstbild eines wirklich politischen Kopfes, im Falle einer groben Verfehlung (und manchmal reichte dazu schon eine Wahlniederlage aus) die für ihn einzig angemessene Konsequenz zu ziehen. Ihr wisst, was ich meine: Verantwortung auch in einer moralischen Sichtweite zu tragen – und nach dem Desaster dieses Wahlkampfs, das ihr wesentlich zu verantworten habt, zurückzutreten bzw. die Verantwortung neuen, weniger aufgebrauchten und verknöcherten Kräften zu überlassen. Diese Zeit ist vorbei, den politischen Ehrenmann gibt es nicht mehr. Und ich bedauere das sehr, es erzählt auch etwas vom Verkümmern, vom Verelenden, vom Verlieren vermeintlich aufgeklärter und politisch engagierter Menschen in unserer narzisstisch verunstalteten Gegenwart.

Um, abschließend, eines festzuhalten: Ich bin nicht dagegen, in eurer Position und jetzigen Situation mit der FPÖ zu sprechen, sie wurde immerhin ja auch von fast fünfzehn Prozent der Wählerinnen und Wähler angekreuzt – allein die Art und Weise, wie ihr polternd auf sie zuläuft, ist demütigend für jeden, der euch noch das Kreuzerl gegeben hat!

Euer Peter Wagner
Autor, Regisseur, Burgenländer

2. Juni 2015

Ferry Janoska und Peter Wagner lehnen die Überreichung des Burgenländischen Volkskulturpreises 2015 durch Landeshauptmann Hans Niessl ab -

nicht jedoch den Preis selbst! 

Zugleich ergeht an die zuständigen Stellen der Landesregierung das Ersuchen, die Dotation des Preises in der Höhe von € 1.500.- an die PANNONISCHE TAFEL zu überweisen.

Im April wurde ich in Kenntnis gesetzt, dass eine Jury dem burgenländischen Landhauptmann die Vergabe des Burgenländischen Volkskulturpreises 2015 an Ferry Janoska und mich vorgeschlagen habe, u.z. für die Produktion „DER FLUSS – Die Lieder der Lebenden, die Lieder der Toten – Theater-Essay in sechs gesungenen Sprachen des Burgenlandes“.

Bis heute fehlt jede offizielle Benachrichtigung an Ferry Janoska und mich, doch wurde uns vom Vorsitzenden der Jury mündlich mitgeteilt, dass die Übergabe des Preises durch Landeshauptmann Hans Niessl am Samstag, dem 20. Juni 2015, 14 Uhr im Dorfmuseum Mönchhof stattfinden werde.

Ferry Janoska, Angehöriger einer Volksgruppe, die der Vernichtungsmaschine der Nazis ausgesetzt war, und ich sehen uns durch die Etablierung einer emphatisch unterbemittelten, verhetzten und verhetzenden Partei in der burgenländischen Landesregierung außerstande, aus den Händen des für diese Entwicklung verantwortlichen Landeshauptmannes einen Preis entgegenzunehmen und für das obligatorische gemeinsame Foto zur Verfügung zu stehen. Wir werden aus diesem Grunde auch nicht persönlich bei der Verleihung des Preises zugegen sein, zumal wir das Fest seines Glanzes nicht berauben wollen.

Den Preis selbst lehnen wir aus folgenden Gründen NICHT ab:
1. wurde er von einer unabhängigen Jury vorgeschlagen;
2. kann er als Signal dafür gewertet werden, dass Volkskultur in seiner Komplexität mehr ist als dumpfe Brauchtumspflege - wie uns dies die blaue (Kultur)Politik Kärntens jahrelang vorexerziert hat;
3. vergibt der Landeshauptmann mit diesem Preis kein privates Geld, sondern jenes des Steuerzahlers im Namen des Landes Burgenland;
4. wollen wir mit der Weiterleitung des Preisgeldes in der vollständigen Höhe von € 1.500.- an die PANNONISCHE TAFEL ein Zeichen für jenen Ausdruck einer Volkskultur setzen, der der Not des anderen Menschen nicht nur mitfühlende, sondern tatkräftige Hilfestellung entgegenbringt.

Wir möchten mit diesem Akt daran erinnern, dass es einst vornehmlich das burgenländische Volk war, das in den großen Flüchtlingswellen 1956 und 1989 wie selbstverständlich und aus einem tieferen Wissen um die Not anderer Menschen Hilfe geleistet hat - jenes Volk, das heute so verunsichert erscheint und offenbar zunehmend bereit ist, den Populisten und Hetzern mehr Gehör zu schenken als jenen, die sich nach wie vor um konstruktive Lösungen für immer schwieriger werdende globale Probleme bemühen.

Peter Wagner
19. Juni 2015