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Adi gusch!

Zigeunermonolog von Peter Wagner
Uraufführung: März 2002, Aktionsradius Augarten
Empfangsraum des Wiener Volkstheaters, ab 8. Jänner 2007
Darsteller: Christoph F. Krutzler
Alle Rechte für das Stückmanuskript beim Autor.

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Ein Hörspiel als Vorläufer >>
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KRITIKEN

Ö1 Morgenjournal – Christian Fillitz, 9.1.2007: Roma-Stück im ehemaligen "Führerzimmer"
Montagabend hatte am Wiener Volkstheater das Stück "Adi gusch!" Premiere. Gespielt wird im so genannten Führerzimmer des Volkstheaters dessen Abbau durch Direktor Michael Schottenberg eine ziemlich heftige Polemik ausgelöst hatte. Seit Oktober heißt der wiederhergestellte, holzgetäfelte Raum "Empfangsraum", der seitdem für Stücke, szenische Lesungen, Vorträge oder Ausstellungen genutzt wird.
Der karge Raum wurde für "Adi gusch!" zu einem Wirtshaus umfunktioniert, die etwa 25 Zuschauer sitzen an kleinen Tischen, und die monologisierende Figur des Purdi Pista lässt seinem Zorn freien Lauf.
Der Oberwarter Roma verflucht alle die, die an der Vernichtung seines Volkes teilgenommen haben, und die sich durch ihr Schweigen mitschuldig gemacht haben, sei es in den KZs der Nazis, die er überlebt hat oder 1995 in Oberwart mit der Rohrbombe des Franz Fuchs, die vier Roma das Leben gekostet hat.
Adi gusch! wurde 2002 im Aktionsradius Augarten uraufgeführt, im selben Jahr wurde das Stück auch verfilmt.
Christoph F. Krutzler - Jahrgang 1978 - stellt Purdi Pista überzeugend dar, mal ruhig und nachdenklich, dann wieder tobend, die Zuschauer mit einer manchmal ziemlich derben Sprache provozierend.
Während Purdi Pista spricht, brüllt und singt, leert er alle Noagerln - das sind Getränkereste in Gläsern, die im Raum herumstehen. Diese Noagerln stehen für das Unerledigte der Geschichte, schreibt Autor Peter Wagner.
Und immer wieder kommt das Thema Auschwitz vor, Auschwitz, die Hauptstadt der Welt, wie Purdi Pista meint. So entsteht zwischen dem historischen Raum des Volkstheaters und der Thematik des Stückes eine eigenartige Spannung.
Das Premierenpublikum war jedenfalls sehr angetan von dem 50-minütigem Monolog, und gönnte es mit einem warmen, anhaltenden Applaus.

Isabella Hager/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 1. 2007: Fast leere Gläser in der "Hauptstadt der Welt"
Peter Wagners "Adi Gusch!" im Volkstheater-Empfangsraum
Wien - Nach weniger gelungenen, weil für den Raum zu wuchtig dimensionierten Bespielungsversuchen (Fräulein Braun) scheint das Volkstheater nun eine angemessene, wie auch das Publikum nicht zu sehr bedrängende theatrale Weiternutzung des nunmehr als "Empfangsraum" benannten ehemaligen "Führerzimmers" ausbalanciert zu haben.
Mit Adi Gusch!, einer knapp 50-minütigen Abfolge von Erinnerungen, Selbstgesprächen und Bruchstücken eines Monologs, werden nun die Roma von Oberwart thematisiert - ein Ansinnen, das der burgenländische Autor Peter Wagner seit jeher verfolgt. Konkret geht es um Purdi Pista (vulgo Stefan Horvath), der Auschwitz überlebte und Wagner schon in den 70er-Jahren zum Hörspiel Purdi Pista sagt, die Cymbal ist tot veranlasst hat.
Getränkereste
In der textlich sehr roh belassenen "Wirtshausfassung" zieht Purdi Pista als Untoter rastlos umher - er kann die Welt nicht verlassen, ehe er nicht alle "Noagerln", also die Reste, die in den Gläsern übrig gelassen werden, ausgetrunken hat. Das bezeichnet dann das Unerledigte in der Geschichte. Dem "Herrn Karl" nicht unähnlich, gibt Christoph F. Krutzler zum wiederholten Mal diesen "Übriggebliebenen". Die rund 20 Zuseher sind an kleinen Bistrotischen platziert, überall dazwischen sind die immer fast leeren Gläser verteilt, durch die sich Krutzler wechselnden Gemüts trinkt. Er doziert dabei über aktuelle Politik und Zeitgeschichte, schnauzt seinen imaginären Hund (Adi) an, spricht sich in Rage, erinnert an Auschwitz, die "Hauptstadt der Welt". Weshalb die Tilgung der "Noagerln"? Weil darin die "mickrigen kleinen Träume liegen, die wir selber sind", Seelenverwandtschaft also.
Dass dramaturgisch wenig unternommen wurde, um den etwas sperrigen, statischen Monolog zu formen (Regieassistenz: Sigmar Kusdas), gleicht Krutzler mit genüsslicher Lebhaftigkeit aus.

Christoph F. Krutzler: Auschwitz, Welthauptstadt
Massig ist die Gestalt des Darstellers – die wenigen Zuschauer, die im "Führerzimmer" des Volkstheaters an kleinen Tischchen sitzen, fühlen sich bedrängt. Das ist gut so, denn das Ein-Mann-Stück "Adi Gusch!", Autor ist Peter Wagner, soll unter die Haut gehen.
Christoph F. Krutzler spielt den Rom Purdi Pista, der im KZ Auschwitz von den Nazis gebrochen wurde. Jahre später, dem Alkohol verfallen, ist er zwischen Todessehnsucht, tiefschwarzer Verzweiflung, Aggression, Momenten der Euphorie und der Selbstüberschätzung hin- und hergerissen.
"Kennst Du Auschwitz?" fragt er, um sich selbst immer wieder die Antwort zu geben: "Auschwitz ist die Hauptstadt der Welt". Die geschundene Kreatur muss durch die Wirtshäuser ziehen, "Noagerln", Getränkereste als Sinnbild für eine unbewältigte Vergangenheit, austrinken, ohne Ruhe finden zu können. Nicht nur das Rohrbombenattentat von Oberwart, der Hass eines Franz Fuchs, sondern der normale Alltagsrassismus verhindern das.
Autor Peter Wagner beschäftigt sich bereits sein gesamtes künstlerisches Leben mit den Oberwarter Roma, Purdi Pista hat ein reales Vorbild, das mittlerweile verstorben ist. 1975 wurde das Hörspiel "Purdi Pista sagt, die Cymbal ist tot" erstmals im ORF gesendet. "Adi Gusch" ist die mehr als gelungene Fortsetzung.

Adi Gusch!
Reprise von Peter Wagner Mit Christoph F. Krutzler
Empfangsraum des Volkstheaters
01/52111-400
Wh.: 12., 18., 24., 30. Jänner

Michael Schmölzer, Wiener Zeitung, 10.1.2007: Geht unter die Haut.

Ein Rom im Führerzimmer
Die rund 20 BesucherInnen im Empfangsraum, im so genannten "Führerzimmer", des Wiener Volkstheaters sind an kleinen Bistrotischen platziert, überall dazwischen sind die immer fast leeren Gläser (Noagerln) verteilt, durch die sich Purdi Pista alias Christoph F. Krutzler wechselnden Gemüts trinkt.
Das Wiener Volkstheater füllt diesen neuen Empfangsraum mit dem Stück "Adi Gusch!" seit Anfang Jänner mit insgesamt fünf Vorstellungen.
Peter Wagners Reprise ist eine Mischung aus Wirtshausmonolog, Selbstgespräch und an Dritte gerichteten Äußerungen eines Noagerltrinkers, des bereits verstorbenen Oberwarter Rom Purdi Pista. Im Lokal wandelte der Rom monologisierend zwischen Schank und voll besetzten Tischen, leerte zwischendurch eigens bereitgestellte Weinreste aus Achtelgläsern. Radio Kaktus berichtet über die Vorstellung im Volkstheater.

UHUDLA: Purdi Pista – Wöödmasta
Wer den Salon Uhudla kennt, wird sich fragen, wie in dem Lokal Theater gespielt werden kann. Bühne gibt es keine. Daher bedarf es besonderer Stücke, damit die Bretter, die die Wetl bedeuten, hier dennoch funktionieren. Peter Wagners Monolog "Adi Gusch!", der im März bereits im Aktionsradius Augarten aufgeführt wurde, ist ein Glücksfall von einem Stück, das sich für den Zweck geradezu ideal eignet.

Eine Mischung aus Selbstgespräch und an Dritte gerichteten Äußerungen eines Noagerltrinkers.

Das trifft nicht nur auf die Tatsache zu, dass es als ein Personenstück angelegt ist, das aus einer Mischung aus Selbstgespräch und an Dritte gerichteten Äußerungen eines Noagerltrinkers besteht. Rasch stellt sich heraus, dass es sich bei dem Mann um einen Roma handelt, der im KZ seine Familie verloren und selbst nur mit Müh und Not überlebt hat. Sein Resonieren über Vergangenheit und Gegenwart enthüllt rasch, dass es hierzulande rassistische Haltungen gibt, die weit davon entfernt sind, bewältigt zu sein, sondern immer wieder neu aufgeladen werden.

Der Schriftsteller Peter Wagner befasste sein ganzes künstlerisches Leben hindruch mit den Roma von Oberwart. Bereits im Alter von achtzehn Jahren begann er mit der Arbeit an dem Hörspiel "Purdy Pista sagt, die Cymbal ist tot". Der Autor wörtlich: "'Kennst du Auschwitz?' fragte mich Purdy Pista. Er war irritiert, dass ich es nur vom Hörensagen kannte. ‚Auschwitz ist die Hauptstadt der Welt,' sagte er, streckte die Hemdsärmel hoch und zeigte mir die Welt in Form einer eintätowierten Nummer. Das war Unterricht, wie ich ihn anderswo nicht bekam! Nie wieder bekommen sollte. Als ich das Hörspiel ‚Purdy Pista sagt, die Cymal ist tot' 1974 begann und ein Jahr später abschloss, lebte der kleine, knorrige Zigeuner in Oberwart noch. Ich hatte versucht, seine Sprache zu benutzen, wie ich sie verstanden hatte, und sie gleichzeitig verändert ... Als das Hörspiel 1975 erstmals im ORF gesendet wurde, lebte Purdy, das Original, noch, und wie! Er wollte das Radiogerät aus dem Fenster schmeißen, weil er nicht verstand, weshalb da jemand seine Geschichte mit fremder Stimme sprach."

Zwischen Tragödie und Farce

Mit dem Monolog "Adi Gusch!" gestattete Wagner sich 27 Jahre später ein äußerst geglücktes Rendezvous mit dieser Figur. Sie wurde von Christoph F. Krutzler kongenial zwar nicht auf die Bühne, aber in den Salon Uhudla gestellt. Im Lokal wandelte der Roma monologisierend zwischen Schank und voll besetzten Tischen, leerte zwischendurch eigens bereitgestellte Weinreste aus Achtelgläsern und zauberte den ambivalenten, zwischen Tragödie und Farce changierenden Charakter in den Raum. Begeisterter Applaus für Darsteller und Autor.

KURIER: "Packend: Krutzler als Stefan Horvath in ´Adi Gusch!´"

AUGUSTIN: „Der Theaterabend mit dem genialen Solo-Darsteller Christoph F. Krutzler ist empfehlenswert. ... ‚Adi Gusch!‘, eines der Resultate von Wagners schöpferischer Auseinandersetzung mit den Roma von Oberwart, die nun schon 27 Jahre andauert.“

Viktória Erdélyi, KURIER: Ein Oberwarter Rom rechnet ab
Er sitzt da, mit einem Glas in der Hand, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, schnaubend vor Wut und verflucht die Welt. Der Fluch gilt all jenen, die ihn, den Oberwarter Rom Purdi Pista, seine Familie, seine Freunde, sein Volk verfolgt hatten. Und der Fluch gilt auch denen, die aus der Geschichte nicht gelernt haben.
Der junge südburgenländische Schauspieler Christoph F. Krutzler spielt Peter Wagners Theaterstück "Adi gusch!" – direkt an den Tischen der Gäste: "Ich habe keine Bühne, nichts das mich schützt. Ich stehe mitten im Publikum. Das ist natürlich ein gewisser mentaler Stress, aber es macht Spaß und wird jedes Mal eine neue Herausforderung."
"Adi gusch!" ist eine Mischung aus Monolog, Erinnerung und Selbstgespräch. Der bereits tote Rom Purdi Pista kann die Welt nicht verlassen, ehe er nicht alle "Noagerln" (Getränkreste im Glas) ausgetrunken hat. Die Noagerln stehen dabei für das Unerledigte der Geschichte – er und sein Schicksal sind ein Teil davon. So zieht er mit seinem Hund wie besessen von Wirtshaus zu Wirtshaus, in der Hoffnung eines Tages in Frieden ruhen zu können.

Melanie Hovorka, Serdar Erdost, Volksgruppenradio 1476: Purdi Pista alias Christoph F. KrutzlerDer junge Schauspieler Christoph F. Krutzler stammt aus Kemeten, aus dem Süd Burgenland. Hier ist er unteranderem auch als Organisator und Co- Leiter des Kulturzentrums im OHO, Offenes Haus Oberwart, tätig. Die Rolle von Christoph F. Krutzler in "Adi gusch!" war für den Schauspieler eine Herausforderung, wie er in Radio Kaktus sagt, schließlich spielt er als Gadje einen Rom direkt an den Tischen der Gäste, mitten im Publikum.Die Gedankenwelt der Roma spüren Die Volksgruppe der Roma begleitet den Autor des Stückes Peter Wagner schon ein ganzes Schriftstellerleben lang. Der in Unterwart aufgewachsene Peter Wagner erinnert sich im Gespräch an seine Kindheit mit den Roma. Schon im Jahre 1974 verfasste er ein Hörspiel über Purdi Pista. Als 13-Jähriger fing er an, den alten Rom zu besuchen, und seither sind die Roma ein unabdingbarer Teil seiner literarischen Arbeit.

Sendung am:
19.1.2007 20:00 Uhr / 27.1.2007 20:30 Uhr

Beitrag über Adi gusch!
In der Nachrichtensendung "Roh" auf dem Kabelsender Okto (http://okto.tv/roh/) am 28. Januar um 19:00 bzw 23:35 Uhr.


Textauszug

Purdi auf der Suche nach Gläsern, in denen ein Rest Alkohol verblieben ist. Er wird nur aus solchen Gläsern trinken.

Spielt mit der Mundharmonika vor. Singt.           

                        Tot bin ich wie ein Pirat
                        auf dem Meeresgrunde
                        Lange schon geschlagen hat
                        mir die letzte Stunde ...

Spielt mit der Mundharmonika nach.
Greift nach einem Glas.

Owi mid dia, Lackerl!

Trinkt.

Normalaweis sauf i kani Noagln aus, i nid ... na wirkli nid, des hod ein Purdi nicht nedig. Es is nua, wia soi i sogn, es is wegn da Söönvawaundschoft zwischn so an Noagl und mia: olle zwa samma Iiwrichbliewane, des Noagl und i, mid dem Untaschied, daß dei Schicksoi, Noagl hiamid besiegld is ... Lacht unverhohlen. Trinkt. Greift nach einem andern Glas. ... Imma, waun di Leber mid ian Löwngebrüll aunsetzd, daunn wirds Zeid. Vüü z´vüü Restln, di wos unerledichd san. Oiso erledich mas, is jo schod zum Wegschittn. Brunz mas liawa aus!

Lacht. Trinkt. Wischt sich über den Mund.     

Jetzt gaunz im Eanst. Des mid di Noagln, des is a so: wie sie mi ins Loch hinein vasenkt hom, oiso wia i des Bankl grissn hob, auf guad Deitsch, des woa so im 79er Joa, do woa iagandwia des Leben für mi ... ooglebt, meinasöö, ooglebt. Und trotzdem: du liegst im Soag drin, du merkst, jetzd ziagn´s di Höözl weg unta dia, jetzd faungt dea Soag auf di Strick zu schwebm aun ... und es geht owi, es schwebd schen laungsaum owe in di Ewichkeid, di wos nix aundas is ois wia a Loch im Lahm ... owa mid an Bodn, weu auf dem Bodn da Ewichkeid kummt no a jede Kistn zum Stehn, und daunn oiso spiast an Ruck, an hauchfeinan klanan Ruck, daweuln da Ausschnid vom Himmü iwa dia imma klana wiad ... i frog mi, wia san di Leid jemois auf di Idee kumman, es gabat an Himmü und dea warat iwa da Birn des homo erectus driwa. I kaun eich nua sogn - und glaubts an hinnichn Zigeina: es gibd kan Himmü nid, es gibd nua an festn Grund drunt im Loch, und des is da letzde, owa da ollaletzde Grund, auf dem des menschliche Gfrast zu stehn kummt, sozusogn auf gleicha Ebene mid da ollairdischesten Parasiterei, de si aun deinadurchlauchtig oodaunktn Fleischlichkeit gütlich hoidn wiad. Duatn, meine Hochvaehrtestn, duatn is vo an Himmü nid amoi mea di Idee iwarich. Da Himmü, glaubts mia Leidl, weu i waas des, i, da Purdi, hob des ollas mid di eiganen Augn gesichtet, da Himmü ist ein Luxus des Lebens, nicht des Todes. So laungst lebst, kaunnst da an Himmü leistn, danoch kaunnst nua no koartndibbln mid di Wiiam! Und glaub jo nid, daßd do no an Stich mochst, vom Wurme kommst du ... waun da Papa des Zipferl in di Mama steckt ... zum Wurme wirst du, aa waunn di hohe Philosophie und di no hehare religiöse Heitakeid diesen Zuastaund irrtümlichaweise ois Leben mißvastehn tuan, ois soichem di göttliche Weihung erteiln und vo da SS in Birkenau exekutiern lossn ... und zum Wurme gehst du in alle Ewigkeit, weu da Herrgod is da Wurm und ea sprichd des letzte Uateu iwa di: am End des gewoitign Verdauungsschlauchs, dea wos si Lebn nennt, wiast nix sein ois woa das ultimativ Ausgschissane, Amen.