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Die Mühle

Stück von Peter Wagner (1989, Neubearbeitung 2000)
Uraufführung am 29. Mai 1989 auf der Studiobühne des Kieler Schauspielhauses
Mit Karl Schmid-Werter (Daniel Riedl), Ursula Berlinghof (Kiki), Susanne Beyer (Gudrun), Horst Stenzel (Ludwig); Bühne und Kostüm: Ric Schachtebeck
Regie: Silvia Richter
Weitere Inszenierungen: Compagnie Theater Manie, Wien 1991, Regie: Peter Wagner; >>
Kufobu, Burgau 1994, Regie: Gerhard Duffek

Pressestimmen

Werner Schulze-Rempel, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: Mit dem 33 Jahre alten Burgenländer Peter Wagner glückte Kiel eine beachtliche Entdeckung. Obwohl als Komponist mit Jazz- und Rockmusicals hervorgetreten, ist der Österreicher hierzulande unbekannt. „Die Mühle“ handelt von einem Bildreporter des Satans. Zwanzig Jahre war Daniel Riedl auf allen Kriegsschauplätzen zu Hause. Sein Foto einer von Kugeln durchsiebten Kinderleiche ging um die Walt und verfehlte nur knapp die Auszeichnung als „Foto des Jahres“.
Riedl hat Kiki, ein blutjunges Dummerchen, geheiratet und bezieht mit ihr eine Mühle auf dem Lande. Sie erwartet ein Kind, und gegen ihren Willen arrangiert er eine Hausgeburt, um wie besessen den Geburtsvorgang zu fotografieren. Kiki fühlt sich bloßgestellt und begehrt zum ersten Male auf: „Der Krieg war wohl nichts mehr, es gibt was Geileres!“
Ludwig, der als der Dorfidiot gilt, weil er offenbar nicht sprechen kann, ist von Riedls Fotoausrüstung fasziniert. Riedl lehrt ihn den aggressiven, skrupellos voyeuristischen Bildjournalismus. Als Kiki ihn nach einer heftigen Auseinandersetzung verlassen will, verweigert er ihr das Kind. Sie fühlt sich aber derart gedemütigt, dass sie trotzdem geht. Nun, allein mit dem Kind, setzt er ihm ein Schlachtmesser an die Kehle und lässt sich so von Ludwig fotografieren. Danach will er selbst das „Foto des Jahres“ schießen: Ludwig beim Umbringen des Kindes. Der weigert sich. Riedl begreift, dass er verloren hat, und hängt sich auf. Peter Wagner zeigt die Neigung zu Gewalt und Schreckensbildern als Flucht vor sich selbst, als Ausdruck von Hilflosigkeit und Liebesunfähigkeit.
Mit der Uraufführung hatte der Autor viel Glück. Sylvia Richter ließ das Stück etwas schwer angehen, doch die vor Darsteller nutzten das langsame Tempo zu genauer Charakterisierung der untergründigen Spannungen und latenten Machtkämpfe. Als Riedl ist sich Karl Schmid-Werter gelassen seiner Überlegenheit bewusst: ein Ekel mit Charme, ein Spieler mit Menschen. Hervorragend Horst Stenzel in der stummen Rolle des Ludwig.

Angela Richter, KIELER EXPRESS: Publikum war angezogen, abgestoßen und ratlos … Nahezu täglich senden die Fernsehanstalten brutale Bilder aus Kriegsgebieten, zeigen die Illustrierten das Grauen in Farbe: „Es geht ums Detail, immer nur ums Detail, Idiot! Oder wen interessiert eine Leiche ohne ein Spur von Blut?“ weist Riedl Ludwig an. „Die Mühle“ berührt ein in den letzten Jahren vieldiskutiertes Problem – für das sich keine Lösung abzeichnet – Zuschauer und Leser fühlen sich durch die Brutalität eher angezogen als abgestoßen. Beim Theaterpublikum war am Ende auch Ratlosigkeit spürbar.