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inland
Ein Bühnenpoem

von Peter Wagner
Manuskript 2004
Uraufführung frei
Alle Rechte für das Stück beim Autor.

Textauszug >>

Szenenfolge und Besetzung

1. Cover
Personen: Chefredakteur, Artdirektor, ein Kind; 2 Stimmen

2. The living company
Personen: Model 1 - männlich, um die 50; Model 2 - weiblich, um die 20.

3. Café Allianz
Personen: Junger Mann; junge Frau; Kellnerin

4. Inhalt
Personen: Die Braut

5. Entrékultur
Personen: ein Führer; eine Schar Besucher

6. Karte der Erkenntnis
Personen: 3 Buddhisten.

7. Zur anonymen Verfügung
Personen: Einkäufer, eine Sprecherin über Lautsprecher

8. Der Koffer
Personen: Junge Frau, Zigeunerin; Älterer Herr, Begleiterin; Babsi, Klarissa, Motte, Maus; Sandler I - IV

9. Im Reigen der Profile

9.1
Personen: die Dichterin, der Bischof

9.2
Personen: der Bischof, der Klubobmann

9.3
Personen: der Klubobmann, der Präsidentschaftskandidat

9.4
Personen: der Präsidentschaftskandidat, der Innenminister

9.5
Personen: der Innenminister, die Vizekanzlerin

9.6
Personen: die Vizekanzlerin, der Sozialsprecher

9.7
Personen: der Sozialsprecher, die Schauspielerin; der Fotojournalist

9.8
Personen: die Schauspielerin, der Schrifsteller; ein Gorilla

9.9
Personen: der Schriftsteller, der Sir

9.10
Personen: der Sir, die Dichterin

10. Die Zukunft des Automobils
Personen: Taxilenker, Fahrgast, 2 Polizisten

11. Co-Axial / Im Verlaufen
Personen: Frau, Mann, Junge

12. Leitartikel
Personen: ein Blinder, mehrere Kunden, eine Kassierin

13. Vorsprung durch Technik
Personen: Stimmen, Horch

14. Prozess der Woche
Personen: Elfriede Blauensteiner, Exabgeordneter, Kolumnist, Wirtschaftsminister, Aufdecker, Umfragerin, zwei Polizistinnen

15. Die Puppe
Personen: Thomas Gottschalk, der Bundeskanzler, ein Invalider

16. Alles geht vorbei

Personen: ein Priester

17. Heilige Johanna der Diebe und Bettler, der Gestrauchelten und Lebensmüden

17.1
Personen: Sandler I, Sandler II, Sandler III, Sandler IV; ein Mädchen

17.2
Personen: das Mädchen; Hexe I, Hexe II, Hexe III, Hexe IV; eine finstere Gestalt

18. Bergwerkskinder
Personen: Ute Fabel, Oleg Dimitri; Passanten

19. Beichtstuhl
Personen: der Beichtende; Gläubige in einer Warteschlange, ein Terrorkommando, eine Spezialeinheit der Polizei, Sanitäter, Reporter, Fotographen, Kameraleute.

20. Mongolei
Personen: Ein Landeshauptmann und die Frau des Landeshauptmannes, ein Klubobmann und die Frau des Klubobmannes, ein Bundeskanzler und die Frau des Bundeskanzlers

21. Der Profane und seine Würde
Personen: Der Präsident des Wirtschaftsbundes; Publikum

22. Quickstep
Personen: eine Primaballerina.

23. Schüttbilder
Personen: der Schüttkünstler, die Moderatorin; Kameraleute, Live-Publikum

24. Interview mit einer bedeutenden Persönlichkeit
Personen: der Zweite Nationalratspräsident, eine Journalistin

25. Assistenzeinsatz
Personen: 2 Grenzsoldaten, 2 Echos

26. Kultur.Genuss
Personen: Stimme aus dem Inneren der Kugel

27. Jungbauernkalender
Personen: 13 weibliche Models, 14 männliche Models

28. Sie verliebte sich in ihren Schlepper
Personen: 56 chinesische Männer, 4 chinesische Frauen

29. Wireless
Personen: Junge Frau, junger Mann

30. Laufrad
Personen: Ein Läufer

31. Acker ist ein mehrdeutiges Symbol
Personen: 5 Designerinnen

32. Endlich.
Personen: 12 Personen

33. Tunnelgeher

33.1
Personen: eine Gruppe von Schifahrern und Snowboardern

33.2
Personen: eine Durchschnittsfamilie bestehend aus Vater, Mutter, 1-2 Kindern

33.3
Personen: 2 Mountainbiker

34. tabula rasa
Personen: ein Graffiti-Künstler


Textauszug

24. INTERVIEW MIT EINER BEDEUTENDEN PERSÖNLICHKEIT
Personen: der Zweite Nationalratspräsident, eine Journalistin

(Im Amtsraum des Zweiten Nationalratspräsidenten.)

NATIONALRATSPRÄSIDENT: Selbstverständlich gebe ich Ihnen dieses Interview gerne ... wobei mir die versprochene Titelstory lieber wäre, aber ich weiß schon, dass das nicht Ihre Entscheidung ist ... ich werd noch mit dem Herrn Chefredakteur telefonieren ... aber das soll jetzt nicht unser Problem sein. Wobei ich gleich dazu sagen möchte, dass mir diese Interviews regelrechte Qualen verursachen. ... (Fragender Blick der Journalistin.) ... Es ist dieser Zwang, mir ständig vorzustellen, wie das alles, was sie hier vor mir repräsentieren, unter Ihrem entzückenden Kleid aussehen mag. ... (Die Journalistin lacht.) ... Sie lachen, aber für mich ist das ein ernsthaftes Problem. Sie können mich jetzt fragen, wie das war, als ich am 4. Jänner als Finanzminister der neuen Regierung angelobt werden hätte sollen ... und mich dieses Arschloch von einem Bundespräsidenten von der Liste gestrichen hat, einfach so, ausgestrichen, und das nicht weniger große Arschloch aus Kärnten sich umgedreht und gesagt hat: „Da kann man nix machen“. Natürlich war ich da leichenblass, aber noch ehe ich dazu komme, ihnen die Situation zu schildern wie sie tatsächlich war ... habe ich Sie als meine Interviewerin vor meinem geistigen Auge schon ausgezogen, bzw. bin gerade dabei, sie auszuziehen, bzw. denke darüber nach, ob Sie sich dagegen wehren und in welcher Weise Sie sich dagegen wehren. Es hat tatsächlich eine Vereinbarung zwischen mir und dem Kärntner gegeben, wonach wir nicht in die Regierung gehen, wenn der Bundespräsident mich als Minister ablehnen sollte ... sehen Sie, an diesem Punkt sehe ich meine Hand über Ihren Fußrist streichen, den Unterschenkel hochfahren, über das Knie gleiten, immer weiter vordringen zu jenem Mysterium, für das ein männliches Hirn einfach zu klein gebaut ist. Ich dachte mir, es würde alles besser mit den Jahren, je älter ich würde, umso mehr würde sich der Zwang, mir den Beischlaf mit kategorisch jeder Frau, der ich begegne, vorstellen zu müssen, ein wenig lockern. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich würde Ihnen gerne etwas erzählen über die Art und Weise, wie ich mir den Ruf eines mächtigen Fädenziehers hinter den Kulissen erworben habe, dass ich mit dem Finanzminister vereinbart habe, dass sämtliche Entscheidungen, in denen der Finanzminister formal für Postenbesetzungen in staatsnahe Firmen zuständig ist, über meinen Schreibtisch laufen müssen ... aber kaum würde ich ins Detail vorstoßen, würde ich nur noch über die Farbe ihres Dessous nachdenken, wie es sich an ihren Brustwarzen reibt, zwischen ihren Beinen, an die Weichheit der Knospe ebendort, an die Konsistenz des Schleimes und an dessen Geruch ... Der Geruch aus den Untiefen des Weibes macht mich überhaupt völlig verrückt, meine besten Entscheidungen treffe ich beim Gedanken an den Geruch einer Frau. ... Nein, es war mir niemals ein Problem, den kärntner Giftzwerg speziell bei Personalentscheidungen für den Aufsichtsrat der Bundesbahnen auszutricksen nach Strich und Faden ... aber dort, wo mir das gelungen ist, werde ich an nichts weiter gedacht haben als an den Geruch einer Frau ... oder ihren Augenaufschlag. Ja, auch der Augenaufschlag und seine sexuelle Tiefe, jede Öffnung im Gesicht einer Frau ... nicht nur der Mund und die spezielle Wölbung der Wangen, wenn sich die Frau dem Mann oral widmet ... kaum erzähle ich Ihnen etwas von der Besetzung des ÖIAG-Aufsichtsrates mit meinen Vertrauten ... oder nennen wir sie meinetwegen meine Freunde ... stülpen sich ihre Lippen über mein Geschlecht, wobei miCH einzig und alleine die Frage interessiert, ob ihre Augen dabei geschlossen oder geöffnet sind, in welcher Weise sie geöffnet wären und ob das Verschlingen meines Geschlechtes, dieses tiefere Verschlingen, dieses Verschwinden meines Schwanzes in ihrem Mund ... soviel von ihm halt in einer weiblichen Mundhöhle Platz hat, diese zwar nicht praktisch vollkommene, ideell aber sehr wohl vollkommene Einverleibung sich als Akt der Leidenschaft und des tieferen Einverständnisses zwischen der kompromisslosen Natur des Weibes und dem willenlosen Ausgeliefertsein des Mannes erweist. ... Ich rede mit Ihnen über typisch österreichische Verschwörungsphantasien in der Politik, ich rede mit Ihnen über das Ur-Österreichische, dass einer dem anderen einen Gefallen tut, weil er weiß, dass auch der bei Gelegenheit gefällig sein wird, ich rede mit Ihnen über meinen familiär-traumatischen Hintergrund und von mir aus auch über die Psychologie: dass ich mich zu jenen Bürgerlichen gehörig fühle, die sich schon in der Kreisky-Ära unter ihrem Wert behandelt fühlten und deren unternehmerischer Ehrgeiz an den Mauern von Sozialpartnern, Kartellen und Banken abprallte ... aber in Wahrheit sehe ich nur ihre Augen, und ihre Augen sind nichts als vaginale Strukturen, was heißt Strukturen: mein Geschlecht dringt in Permanenz in ihre Augen ein, und wären ihre Nasenlöcher, ihre Ohrengänge, ja die Poren Ihrer Haut nicht zu klein dazu, ich würde ohne Unterlass auch in sie eindringen, ich würde in alles eindringen, was ihr verkommenes, verhurtes, stinkendes Frauenleben ausmacht, ich würde sie derart nieder ficken, dass sie nur noch um Gnade betteln könnten in Anbetracht solch biblischer Gewalt, die da über sie kommt ... Ja, es stimmt, ich habe meinen Betrieb aus der unternehmerischen Sackgasse geführt, ich habe sogar die drohende Pleite nach riskanten Firmenkäufen in Osteuropa abgewendet, obwohl ich mir von der Bank Austria die Sanierungsbedingungen diktieren lassen musste. Aber in dem Augenblick, wo ich nur das Wort Sanierungsbedingungen andenke, sehe ich mich, wie ich Sie über den Ledersessel dort drüben ziehe, wie ich mir Ihren Arsch präsentieren lasse, wie ich zuerst mit dem Schaft der Füllfeder, mit der ich hier sämtliche Briefe, Genehmigungen und Ablehnungen unterschreibe, in das Innere ihrer Gedärme eindringe, ehe ich meinen leiblichen Federhalter dazu ermuntere, Ihnen kräftig in den Arsch zu stoßen .... und während ich sehr gerne über meine plötzliche Liebe zum Kleinen Mann, die ich während meines Wahlkampfes als Spitzenkandidat bei den Nationalratswahlen entdeckte - und natürlich war ich nur der Hinterhertrotter des wirklichen Kanzlerkandidaten - während ich also alles freimütig erzähle, greifen meine Hände in Ihre Haare, ziehe ich Ihren Kopf mit der mir möglichen physischen Brutalität hoch, beginne ich Ihren Hals zu würgen, während ich spüre, dass mein Penis den Härtegrad eines Racherechts annimmt und in seiner Bedingungslosigkeit, mit der er Ihren Arsch penetriert, schon demnächst Ihren Tod hervor rufen könnte, hätte ich nicht die geringste Mühe, Ihnen meine Naturphilosophie zu erklären, die darin besteht, dass Überbevölkerung mit geringerer Fruchtbarkeit endet, da ich an die Kraft des Biomechanismus glaube. ... Und dann, wenn ich Ihnen etwas, was Sie ohnehin wissen, erkläre, dass ich nämlich der idealtypische Finanzminister gewesen wäre, weil ich auf nichts und niemanden Rücksicht zu nehmen brauche, dann ... wenn Sie also vergebens um Gnade gefleht haben werden und noch einmal - schon mehr tot als lebendig - ein Stöhnen Ihrem Körper entfährt ... dann werde ich Ihnen gestehen, dass ich sehr leise und sehr ruhig zu werden pflege, wenn´s sehr eng für mich wird. ... Das alles will ich Ihnen nur gesagt haben, ehe wir mit dem Interview beginnen. Bitte sehr, ich bin so weit. Stellen Sie Ihre Fragen.