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DIE ZEITMASCHINE – ODER WER HAT ANGST VORM SPIEL DES LEBENS?

Stück von Peter Wagner
Uraufführung: 11. Juni 1988, Kulturzentrum Oberschützen. Weitere Aufführungen in Oberschützen, Wien und Salzburg
ORF-TV-Aufzeichnung einer Rumpfversion, Bildregie: Walter Reiss, Studio Burgenland 1988

Bühne: Henryk Rys Mossler / Musik: Wolfgang R. Kubizek
Bauten, Kostüme, Bühnendienste: Eltern, Freunde, engagierte Bekannte des 1. integrativen Schulversuchs Österreichs
Entwicklung und Leitung des ersten integrativen Schulversuches an einer Regelschule,
Projektidee und -leitung: Brigitte Leimstättner
Regie: Peter Wagner

Inszenierung >>

Inhalt

Kinder wollen mit Vorschlägen und Konzeptionen von uns Erwachsenen konfrontiert sein. Sie sind prinzipiell neugierig, was das Funktionieren der Welt betrifft. Oft genug müssen sie betroffen und besorgt sein über das Ausmaß der Bedrohung, das wir ihnen bieten im Großen und im Kleinen, aber die Stärke der Kinder besteht darin, dass sie selbst mit der fatalsten Bedrohung ihres Lebens nicht fatalistisch umgehen und stattdessen instinktiv und kunstvoll nach dem Ausweg zum Überleben suchen. Der Optimismus der Kinder selbst in augenfälliger Ausweglosigkeit ist ihre große Botschaft an uns Erwachsene. Könnten wir uns öfter von ihr anstecken lassen, wir würden an vieles, an dem wir heimlich schon resigniert haben, mit mehr Tatkraft und Zielstrebigkeit, die für sich selbst schon die halbe Garantie zum Gelingen einer Sache ist, herangehen. Ich habe mir die Kinder der 4 E in der Volksschule Oberwart vier Jahre lang angesehen. Ich habe ihnen nun ein Stück geschrieben, jedem der Kinder ein Stück am Stück zugeschrieben, wie es sich durch meinen Kopf als Erwachsener gebrochen hat. Ich habe ihnen nichts anderes als meinen Vorschlag und mein Konzept vorgelegt, sie haben es angenommen – nicht unkritisch, das wäre etwas anderes! -, sie haben sich durch meinen Ernst ihrem Dasein gegenüber bestätigt gesehen in ihrer Wichtigkeit als Mensch dieser Welt. Sie haben vor allem honoriert, dass ich mich ihnen dennoch nicht angebiedert habe, da ich meine Position als erwachsener Autor in diesem Stück nicht verleugnen konnte, wollte. Es ist mir von Anfang an tatsächlich nicht darum gegangen, ein Kinderstück zu schreiben. Da ich selbst nur mehr in eingeschränktem Sinne Kind bin, hätte ich dies als Anmaßung empfunden. Es ist mir vielmehr um die Konfrontation der Phantasie von erwachsenen Künstlern (neben dem Text stammen auch Musik und Bühnenbild von professionellen Handwerkern) mit der Spielwut von Kindern gegangen, wobei jeder Teil den Bezug zum anderen sucht, ohne sich dabei selbst zu verleugnen (die Erwachsenen) oder vom pädagogischen Ehrgeiz irgendwelcher Botschaften überrollen zu lassen (die Kinder). Mir schien solch ein Experiment – in das neben Kindern und Künstlern auch Eltern und Außenstehende involviert sind – in einer integrierten Klasse nicht nur möglich sondern notwendig, gerade weil dort Auseinandersetzung und Experiment, das Fertigwerden mit dem (noch oder prinzipiell) Unfertigen einen integralen Bestandteil des eigenen Selbstverständnisses bilden.

Die Kinder wissen es zu danken: sie fühlen sich durch die Möglichkeit, sich selbst anhand der ihnen zugeschriebenen Rolle zu prüfen, ernst genommen. Es war sofort IHR Spiel, das Spiel des Lebens, Spiel und Leben. Wahrscheinlich stand von Anfang an ohnehin nur der eine Wunsch hinter dem Projekt, die Kinder mögen der Angst vor dem Leben, die so viele Erwachsene prägt, dadurch leichter entgehen, indem sie die Absurdität und Lächerlichkeit, die Hoffnung und Chance, die Tragik und Komik der Welt fernab vom Heile-(Kinder)Welt-Denken spielerisch auf sich nehmen. Etwas, was ich mir im Grunde auch für uns Erwachsene wünschen würde. Insofern müssen wir – auch wenn es schon wieder nach einem Klischee klingt – von den Kindern lernen. Und wir können es, solange wir uns noch etwas zutrauen.

Peter Wagner (Programmheft)