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Das Spiel des Verstehens

Burgenland. Eine Farce.
Ein Theaterstück von Peter Wagner

Glava boli, srce puno tuge, povi mila ?a me tebi vli?e? Pozabila j’ ca je rekla, ?a je meni ube?ala. Prlje dab’ is svita pr?sla, neg mene ostavila.

Schwer ist der Kopf, das Herz voller Leid, sag Liebste, was mich zu dir zieht? Sie vergaß, was sie sagte, was sie mir versprach. Eher würde sie aus der Welt gehen, als mich zu verlassen.

„Burgenland. Eine Farce“ bezeichnet keine Gegenwart und keine Vergangenheit, und doch beides. Es bezeichnet kein bestimmtes Land, und doch das Burgenland. Es kennzeichnet Menschen, die einander selbst im Hass noch lieben, ohne es zu wissen. Es bezeichnet die Einsamkeit, der der Mensch am Lande mehr und mehr ausgesetzt ist: Oft ist auch hierzulande der Weg nach New York kürzer als zum Nachbarn.

Die 11 Bilder des Peter Wagner, die er auf die „Bretter des Offenen Hauses Oberwart“ zauberte oder montierte oder dort inszenierte, waren schlichtweg sensationell. Nicht nur, weil es die einzige Produktion der etwas anderen Art im Burgenland war. Zum 70. Geburtstag. Virtuose Sprache, fesselnde Dramaturgie, eine ungeheure Fülle an Inhalten (manche sagten sogar, zu viele Inhalte), tatkräftige Schauspieler im wahrsten Sinne des Wortes, ein in die Haut dringendes Bühnenbild, eine durchdringend rührende Musik. Und, nicht zuletzt, ein Publikumserfolg.

Ich traf Peter Wagner am letzten Aufführungssonntag, nach der Matinee, erschöpft wie alle seine Mitarbeiter. All den 16 Aufführungen nachdenkend, bereits die Videoproduktion des darauf folgenden Montages im Kopf. Trotz, oder gerade wegen des großen Erfolges von „Burgenland. Eine Farce“ von ernsten und tief greifenden Zweifeln geplagt: „Die Kunst wird immer in einer Ghetto-Situation sein. Jene Kunst, die ich meine.“ Peter Wagner hat Angst vor der notgedrungenen Oberflächlichkeit eines Theatermarktes, dem Spiel von Angebot und Nachfrage. „Aber“, grübelt Wagner weiter, „es war wunderbar, die Reaktionen des Publikums zu hören und zu beobachten. Jede Kritik, positiv oder negativ oder wie auch immer, hat mir gezeigt, dass die „Farce“ für jeden etwas anderes an Information und persönlicher Botschaft enthielt. Alle, die hier im OHO waren, haben sich in dem Stück wieder gefunden.“

Und darum geht’s! Beispiel fünfjähriger Theatergast, der nach jedem Bild, bei jedem Umbau die beinahe ängstliche Frage stellte: „Es ist aber noch nicht aus, oder?“ Genau in diesem Augenblick war sie ablesbar. Eine Art von Getragenheit, Aufmerksamkeit und Selbstfindung des „Farce-Betrachters“. Manche Kritiker kamen nicht umhin, die Länge des Stückes (fast 4 Stunden) mit bösen Blicken zu beäugen, aber die können einem fast Leid tun. Die Zeit stand still, oder sie verging zu schnell oder zu langsam, wie auch immer. Die Konzeption der Bühne, die Nähe des Zusehers, die „Pausenmusik“ des Astor Piazzolla und die Geige, der Gesang des Enkels aus Amerika, das machte aus dem Saal im OHO eine Einheit. Der Zuseher konnte seine eigene Körperlichkeit beim Betrachten einbringen, lauthalses Auflachen, seufzen und betroffenes Verstummen. Die eigene Phantasie so angeregt, „dass man am liebsten mitspielen, mitreden hätte wollen“ so eine Stimme unmittelbar nach der Vorstellung.

Peter Wagner und sein Team haben dem Burgenland ein lebendiges, gegenwärtiges und fließendes Denkmal gesetzt. „35 Jahre meines Lebens habe ich bei der Entstehung des Stückes vor mir gesehen und ich habe zugegriffen. Und dann haben wir ein hartes Stück Arbeit geliefert.“ Und ein wunderbares Theater.

Seit seinem „angeblichen Durchbruch mit dem Stück ‚Lafnitz’, was immer das sei“ wird sich auch die „Burgenland-Farce“ in die Kategorie Durchbruch einordnen. Was immer das sein mag. Peter Wagner wird ein Poet der Unterwelt bleiben, jener, die durch einen Fluss namens Styx getrennt, mit dem Begriff des Unterbewusstseins gleichgesetzt werden kann und muss. Wagner übersteigt Grenzen, blickt hindurch durch die Ketten des Ego, widmet sich dem Traum und der bedingungslosen Suche nach sich selbst. Das Theater ist seine Sprache: „Schreiben zeichnet das Leben – inszenieren begreift es. Ich habe noch viel zu begreifen.“

GESCHRIEBENSTEIN, 1991