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Zwischentöne machen die Musik

Kürzlich erschien Peter Wagners – 1990 mit großem Erfolg aufgeführtes – Theaterstück „Lafnitz“ in Buchform. Zweisprachig: in Deutsch und Rumänisch. Die „News“ fragte den südburgenländischen Dramatiker nach den Hintergründen.

Jazz Pub News: Dein Stück „Lafnitz“, das im Wiener Ensembletheater lief, erntete viel Beifall vom Publikum  und von der Kritik. Der ORF und sogar 3sat sendeten Deine Aufzeichnung. Nun gibt es „Lafnitz“ auch als Buch. Warum hast Du Dich dazu entschlossen, es zu publizieren?

Peter Wagner: Ich war schon während der Inszenierung von „Lafnitz“ unglücklich über den Zeitdruck, den das Fernsehen ausübte. Für mich sehr wichtige Passagen fielen weg, eine ganze Szene wurde gestrichen, ohne die das Verständnis für einer der Hauptfiguren gar nicht möglich war. Bezeichnenderweise wurden ausgerechnet jene Stellen gestrichen, die stärkste poetische und sprachliche Kraft besitzen. Man glaubte allerdings auf sie verzichten zu können zum Vorteil der realistischen Vermittlung der Handlung. Nur besteht eben Theater für mich aus Literatur und es sind eben Zwischentöne, die Musik machen und das Bild erst richtig kräftig werden lassen. Wenn man diese Zwischentöne herauswirft, dann fehlt etwas Essenzielles. Ich glaube, dass man dies mit der Veröffentlichung der gesamten Textauflage als Buch ausgleichen kann.

JPN: „Lafnitz“ ist auch ein Buch-Debüt, denn Du hast bisher Deine Stücke nie schriftlich der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Soll das demnächst anders werden?

PW: „Lafnitz“ ist ganz bestimmt ein Anfang. Meine Stücke sind nicht immer sehr leicht realisierbar. Viele Theater schrecken davor zurück sie aufzuführen, weil sie relativ aufwendig und manchmal wirklich sehr schwer zu spielen sind. Ich glaube aber, dass Theaterstücke sehr wohl auch lesbar sind. Ich habe in meiner Jugend fanatisch Theaterstücke gelesen, weil sich die Bilder in meinem Kopf zusammengesetzt haben. Der Leser wird praktisch selbst zum Inszenierer, indem er das Stück vor sich abrollen lässt. Und das ist nicht unspannend.

JPN: Nun kam allerdings Dein Buch zweisprachig heraus. In Deutsch und Rumänisch. Bedeutet die Übersetzung ins Rumänische gewisser weise eine Solidarität mit den Flüchtlings-Figuren des Stückes? Oder spielt diese Zweisprachigkeit, die noch dazu auf keine der ethnischen Minderheiten im Burgenland ausgerichtet sind, eine andere Rolle?

PW: Natürlich geht es um die Solidarität mit meinen Bühnenfiguren, aber auch um die Solidarität mit Ausländern, die eine Gewissensfrage für mich darstellt. Ich bin solidarisch, aber über das hinaus ist die Zweisprachigkeit oder Mehrsprachigkeit ein generelles Anliegen von mir. Es ist jetzt halt zufällig Rumänisch, weil die Bühnenfiguren von „Lafnitz“ eben aus Rumänien kommen. Prinzipiell aber möchte ich sagen, dass diese Übersetzung ein Zeichen dafür ist, dass Sprache gleichwertig nebeneinander zu stehen hat und mit der Sprache die kulturelle Identität der Menschen in Europa und in der Welt.

JPN: Die „Ausländerfrage“ ist für manche aktueller geworden als je zuvor. Denkst Du daran, die Flüchtlingsthematik von „Lafnitz“ weiter zu bearbeiten?

PW: Die Aktualität von „Lafnitz“ mit den Flüchtlingen ist nur eine vordergründige und ist nicht das Wesentliche meines Stückes. Das Wesentliche sind die brüchigen Strukturen der Welt hier und nicht die Welt der Flüchtlinge, die sowieso aus einem Umbruch heraus gestartet sind. Die Brüchigkeit der Gesellschaft hier ist das Relevante. Ein Dorf hat sich jahrzehnte lang etwas vorgelogen, diese Lüge bricht anhand von zwei Figuren, die als Katalysatoren wirken, zusammen. Die Frage, inwieweit ich mein Engagement weiterführe, die beantwortet sich von selbst in dem Augenblick, wo ich ein aufmerksamer Beobachter meiner Zeit bin. Ein Betroffener in ihr, der genauso mit den Ängsten kämpft, wie viele andere Menschen in Mitteleuropa. In dem Augenblick werde ich vom zentralen Thema unserer Tage sowieso nicht wegkommen und wiederum auch in meiner Arbeit zu ihm zurückmüssen. Denn was ist meine Arbeit, wenn nicht eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart und mit den Kanalisationspunkten in ihr.

JPN: Hast Du neue Theaterpläne, solche, die in absehbarer Zeit realisiert werden?

PW: Ja, im Rahmen eines größeren Veranstaltungsprojektes im OHO überlege ich, mit den ehemaligen Darstellern der „Zeitmaschine“, die damals zehnjährige waren und mittlerweile fünfzehn sind ein neues Stück zum brisanten Thema Kinder und Krieg in Angriff zu nehmen. Andererseits wird im Frühjahr „Todestag oder Abrechnung im Kuhstall“, ein weiteres Stück von mir, inszeniert von Conny Hannes Mayer, in den burgenländischen Kulturzentren aufgeführt. Ich denke, das kann eine ganz interessante Arbeit werden.

JPN: Deine musikalische Sensibilität hast du mit Deiner früheren Rockgruppe genauso bewiesen, wie mit der Einbindung von Musik in Deine dramatischen Werke. Bist Du noch immer unzertrennbar mit der Musik verbunden?

PW: Ich habe vor, mit Christoph Czech, „Nouvelle Couisine“ und „Jubilo Elf“ eine Oper anzuvisieren. Mit den ehemaligen Musikern von „Paganinis Kinder“ stehen auch gemeinsame Projekte bevor.

JAZZ PUB NEWS, 1992